Wir sind froh, dass wir gestern so viel draußen unternommen haben, denn heute ist daran nicht zu denken. Seit letzter Nacht gießt es in Strömen! Es schüttet dermaßen, dass auf unseren Handys immer wieder Notfallhinweise eintreffen, untermalt von bedrohlich klingenden Alarmtönen: Warnung vor flutartigen Überschwemmungen in der Gegend! Definitiv nicht der richtige Tag, um Canyons zu erkunden...
Wir lümmeln zunächst auf dem Zimmer rum, frühstücken und erledigen Organisatorisches. Wo wollen wir heute Abend essen? Nach ein paar Anrufen und Klicks im Internet wird klar: Wir haben unterschätzt, wie ernst die Amerikaner den Valentinstag nehmen! Heute ist es wohl Pflicht, die Angebetete schick auszuführen. Zumindest sind alle Lokale, die uns empfohlen wurden, ausgebucht. Ich mache mich gerade mit dem Gedanken vertraut, romantisch im McDonaldˋs zu speisen, als Olaf über Open Table doch noch einen Platz in einem China-Restaurant ergattert.
Gegen Mittag wagen wir uns mit Regenschirm bewaffnet aus unserem Häuschen - und stellen fest, dass sich die nächste Überflutung nur ein paar Meter entfernt von uns befindet! Die Querstraße unterhalb unserer Unterkunft, die wir sonst immer benutzen, ist gesperrt, weil sie sich in einen schnell dahinfließenden Bach verwandelt hat. Wir nehmen einen anderen Weg und schnell wird klar, dass Palm Springsˋ Kanalisation offensichtlich nicht auf solche Wassermassen ausgelegt ist. In den Hauptstraßen haben sich stellenweise Tümpel gebildet, Wasser strömt auch außerhalb der Rinnsteine munter vor sich hin, es spritzt teilweise meterhoch, wenn ein Auto durchpflügt.
Unser Ziel, „Big 5 Sporting Goods“, ist zum Glück in ein paar Minuten erreicht. Wir schlendern durch das Sportgeschäft und stellen fest, dass es unweit der Flexibänder und Bodenmatten ein großes Sortiment an Gewehren und Pistolen gibt. Ne Beretta PX4 gefällig? Eine Sig Sauer P226? Oder - für die Damen unter Euch - vielleicht doch lieber eine Umarex-Pistole in schickem schwarz-rosa Design? Schusswaffen und Yogazubehör Seite an Seite: Willkommen in den USA. Ich verzichte auf Glock und Co. und kaufe mir lieber eine Sportmatte, eine Strickmütze und extrawarme Flauschesocken. Mann, bin ich langweilig!
Zurück im Häuschen absolviere ich auf der brandneuen, nach Plastik müffelnden Matte im Schnelldurchlauf meine Turnübungen, bevor wir zum Nachbarort Cathedral City aufbrechen, um dort ins Kino zu gehen. Mit Nachos und einer ganz entfernt an Käse erinnernden Sauce versorgt, wählen wir unsere Plätze in einem gähnend leeren Saal. Bevor „Glass“ mit Bruce Willis und Samuel L. Jackson beginnt, packt Olaf und mich erst mal ungewollt das Gruseln, da überwiegend Trailer von Horrorfilmen wie „Friedhof der Kuscheltiere“ gezeigt werden - natürlich inklusive diverser Schockmomente. Im Gegensatz dazu schleppt sich der Hauptfilm von Regisseur M. Night Shyamalan für meinen Geschmack recht zäh dahin und diese ganzen Superhelden vs. Bösewichte-Comic-Stories sind sowieso nicht wirklich mein Fall. Immerhin fühlt Olaf sich gut unterhalten.
Abends stillen wir unseren Hunger bei „Wangˋs in the Desert“ in Palm Springs. China-Kitsch trifft dort auf bunt beleuchtete Ecken, das Ambiente wirkt auf mich trotzdem eher nüchtern - sieht man mal von der durch diverse Schönheitsops aufgetunten Blondine im Glitzerkleid ab, die an einem der Nebentische Hof hält. Apropos Plastik: Chicken Cashew und Barsch süß-sauer verzehren wir mit Hilfe knallroter Essstäbchen aus ebenjenem Material. Das Essen ist okay, mehr auch nicht. Immerhin prophezeit mir mein Glückskeks am Ende des Mahls eine gute Gesundheit, die lange anhalten wird. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen...