Der Spuk der gestrigen Wetterkapriolen ist vorbei! Sonnenschein und überwiegend blauer Himmel begrüßen uns, als wir morgens aufstehen. Heute heißt es Abschiednehmen von den „Serena Villas“, denn unser nächstes Ziel Las Vegas wartet schon! Als wir Palm Springs in nordwestlicher Richtung verlassen wollen, gibt es plötzlich kein Weiterkommen mehr, weil die Straße gesperrt ist. Unser Autonavi hat keine Ahnung davon, doch zum Glück weiß Google Maps mehr und lotst uns später noch an zwei weiteren Straßensperrungen vorbei. Ich kann mir vorstellen, dass dies mit den gestrigen Überflutungen zu tun hat. Allerorts sind man auf den Straßen noch Sand, der angeschwemmt wurde.
Unsere Route führt uns zunächst östlich an der Nordgrenze des Joshua Tree National Park entlang und dann auf der Interstate 15 gen Norden. Fünf Stunden Fahrt durch karge Wüstenlandschaft, die immer weniger besiedelt ist. Ab und zu sehen wir beidseits der Straße noch ein paar Häuschen, von denen viele schon verfallen, und dann nimmt uns die Wildnis auf. Man kennt das Bild aus unzähligen Filmen: Eine endlose Straße hält schnurgerade auf den Horizont zu, in der Ferne zieht sich die ein oder andere Bergkette dahin und ansonsten ist da nur diese unglaubliche Weite. Nichts, was den Blick am Umherschweifen hindern würde. Scheinbar monoton und dann doch wieder abwechslungsreich. Wir erreichen das Mojave National Preserve, wo ein Straßenschild uns auffordert, auf Schildkröten zu achten. Auf unserer Fahrt durch das Naturschutzgebiet werde ich plötzlich an die Sahara erinnert, als in der Ferne das Kelso Dune Field mit seinen bis zu 200 Meter hohen goldfarbenen Dünen zu sehen ist. Dann tauchen mehr und mehr Josua-Agaven auf und recken ihre Stachelarme in den Himmel. Sie bilden einen regelrechten Wald, sodass das Shadow Valley grün schimmert.
Es mutet unwirklich an, als nach stundenlanger Fahrt durch einsame Wildnis die Ausläufer jenes schillernden Ortes auftauchen, der unser Zuhause für die nächsten Tage sein wird: Las Vegas. Wir sind also zwei von jährlich etwa 40 Millionen Touristen, die die größte Stadt Nevadas besuchen.
Wir fahren zunächst in Richtung des McCarran International Airport, wo wir unseren Mietwagen abgeben und lassen uns und unser Sack und Pack dann mit dem Taxi zum „Waldorf Astoria“ am Strip bringen. Wir schweben mit dem Aufzug in die im 23. (!) Stock gelegene Lobby des ehemaligen „Mandarin Oriental“. Während Olaf die Formalitäten erledigt, muss ich innerlich schmunzeln, weil ich mit meinen zwei Plastiktüten, den windzerzausten Haaren und meiner Outdoorjacke im Moment so gar nicht zu der hier vorherrschenden kühlen fernöstlichen Eleganz passe. Nach dem Check-In beziehen wir unsere Ecksuite im 9. Stock und bewundern erst einmal das Panorama, das sich uns dank der langgezogenen Fensterfront bietet. Im goldenen Nachmittagslicht leuchten diverse Hochhäuser... und der Eiffelturm! Das Pariser Wahrzeichen in Las Vegas. Es gibt hier nichts, was es nicht gibt.
Das stelle ich auch ein paar Stunden später fest, als wir den „Caesarˋs Palace“ betreten, ein Hotel mit wahrhaft gigantischen Ausmaßen: 3.960 Zimmer und Suiten, ein Spielkasino auf 15.000 Quadratmetern Grundfläche, ein großes Einkaufszentrum, zahllose Statuen und Säulen. Römischer Pomp der Antike mischt sich in der Lobby und in der Nähe der Forum Shops mit farbenfroher China-Deko zu Ehren des chinesischen Jahres des Erde-Schweins, das am 05. Februar begonnen hat. Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hinsehen soll, mein Sehsinn wird bombardiert von den bunt blinkenden Lichtern der Spielautomaten, dem rot glitzernden chinesischen Drachen, den beleuchteten Deckengemälden und Brunnen. Besuchermassen - eine wilde Mischung aus kräftig tätowierten Glatzköpfen in Jogginghosen, ultagestylten blutjungen Grazien, grölenden Männergrüppchen in Outdoor-Outfits und nicht mehr ganz taufrischen Rubensdamen in knallengen Kleidchen - zocken, essen, trinken, reden, lachen...
Unsere Eindrücke verdauen wir erst einmal im hoteleigenen Restaurant „The Palms“, wo wir von einem superhöflichen Kellner bedient werden. Er überrascht uns mit vorzüglichem Deutsch und schwärmt von seinen zwei Jahren in Bremen und Hamburg, wo er unter anderem als Straßenmusiker unterwegs war.
Nachdem er uns mit leckeren Krabbenküchlein, Wein und Gin Tonic versorgt hat, stürzen wir uns wieder ins Gewühl und erkunden die exklusiven Forum Shops. Die ausgestellten Markenartikel von Louis Vitton, Versace und Rolex kümmern mich wenig, viel interessanter finde ich die Präsentation der rund 160 Geschäfte. Ich fühle mich tatsächlich ein wenig so, als würde ich abends durch römische Straßen flanieren. Dies liegt zum einen natürlich an der Architektur der Ladenzeilen, der Springbrunnen etc., aber auch an der gewölbten blauen Decke, die so geschickt bemalt und beleuchtet ist, dass die Illusion eines Aufenthalts im Freien entsteht. Okay, vielleicht liegt das aber auch ein wenig am italienischen Wein in meinem Blut...
Nach unserem Spaziergang durch Rom lassen wir uns mit dem Taxi zum nächsten Megahotel bringen: dem „MGM Grand“. Um 21:30 Uhr habe ich nämlich noch eine Verabredung mit David Copperfield.
Hier muss ich kurz ausholen und eine kleine Geschichte erzählen; nicht an den Auswüchsen weiblicher Schwärmerei Interessierte mögen bitte einen Absatz weiterspringen. (Auftritt Märchentante:) „Es gab einmal ein deutsches Mädchen namens Stefanie, das als Pubertierende unsterblich in einen der größten Magier der Welt namens David Copperfield verliebt war. Es sammelte alle möglichen Zeitungsartikel über ihn, schnitt Bilder von dem glutäugigen Künstler aus, verfolgte seine spektakulären Zauberaktionen wie den Gang durch die Chinesische Mauer und schmolz dahin, als es ihn endlich live in München auf bzw. über der Bühne sehen durfte - denn natürlich konnte der schöne David auch fliegen! Die Jahre vergingen, Stefanie wurde untreu und schwärmte für andere Männer, David wurde reicher und reicher, seine dunklen Haare immer spärlicher und dann plötzlich wieder füllig wie eh und je. It‘s magic! Als Stefanie erfuhr, dass ihre Reise sie ins Reich des Magiers, ins sagenumwobene Las Vegas, bringen würde, überlegte sie, ob sie dem Schwarm ihrer Jugend einen Besuch abstatten sollte. Abgeschreckt wurde sie von einigen kritischen Bewertungen im unendlichen Internetz. Waldorf und Statler bemängelten, David würde zu schnell sprechen, lustlos sein Programm abspulen und seine Tricks seien auch nicht mehr State of the Art. Stefanie hatte zudem schon einmal den Schock der Demontage eines Jugendschwarms durchgemacht - ein einst von ihr angebeteter, schlanker, schöner, engelsgleich singender Musicalstar verwandelte sich im Laufe der Jahre in eine solariumgebräunte, feiste, ziemlich tuntige Erscheinung mit schwächelnder Stimme - und entschied daher, sich diese Qual kein zweites Mal anzutun. Die wundervollen Erinnerungen an David sollten ungetrübt bleiben. So weit Stefanies Überlegungen. Doch kaum weilte sie in Davids Reich und stellte fest, dass es für den gleichen Abend noch grandiose Karten in seiner Show gab, warf sie in Sekundenschnelle ihre Vorsätze über Bord. Gegen den Lockruf des großen (übrigens immer noch glutäugigen) Magiers war sie machtlos. So begab es sich also, dass sie auch ihren Mann in Davids Zauberwelt verschleppte.“ Abgang Märchentante
Olaf und ich suchen das gut gefüllte David Copperfield Theater auf und nehmen unsere Plätze an einem Tisch in der ersten Reihe, direkt an der Bühne, ein. Yeah! Die Vorführung beginnt selbstverständlich mit einem Zaubertrick: Mehrere Zauberlehrlinge leuchten mit großem Brimborium eine riesige leere Box aus, verhüllen sie kurz mit weißen Tüchern - und tada! In dem Kasten thront plötzlich, von Rauchschwaden mystisch umnebelt, mein früherer Lieblingsmagier stilecht auf einer röhrenden Harley Davidson! Wir kommen während seiner Show kaum zum Durchatmen. Dass Copperfield lustlos wirken würde, kann ich nicht bestätigen. „Routiniert“ wäre ein Wort, das ich stattdessen wählen würde. Der Magier spricht tatsächlich sehr schnell, teilweise verstehen Olaf und ich nur Bahnhof. Immerhin wird auch uns klar, dass David die Show sehr persönlich aufgezogen hat. Da ist viel von seiner Kindheit und seinem Vater die Rede, zu dem er offenkundig ein enges Verhältnis hatte.
Immer gibt es etwas zu sehen, zu begutachten, werden Zuschauer auf die Bühne geholt oder anderweitig einbezogen... Kleine bekannte Tricks wie die schwebende Rose aus Kleenex wechseln sich mit spektakulären Großaktionen ab. Aus dem Nichts erscheint ein mintgrüner Cadillac auf der Bühne. UFOs gibt es doch, eins davon schwebt plötzlich über unseren Köpfen. Frank, das Dinosaurierskelett, brüllt lautstark auf uns herab. Selbstverständlich kann David auch in die Zukunft reisen und weiß deshalb schon alle möglichen Dinge, die gerade erst passieren. Eine Frau namens Kirsten wählt als berühmte Persönlichkeit Abraham Lincoln aus, träumt davon, in einem Monat eine Reise nach Irland zu machen und der Magier hat alle diese Details natürlich schon vorher aufgeschrieben. Und dann gibt es noch diesen süßen, redefreudigen kleinen Außerirdischen namens Blue, der mit David kuscheln darf...
Olaf und ich genießen die Show in vollen Zügen und fühlen uns bestens unterhalten. Ich ertappe mich dabei, wie ich wie ein Kind den Mund aufreiße, Bauklötze staune und lache. Es war definitiv kein Fehler, Copperfields Show besucht zu haben. Die alte intensive Schwärmerei ist verflogen, aber ich kann mich in mein früheres Teenie-Ich immer noch gut hineinversetzen. Die Faszination für Davids Können bleibt mir jedenfalls erhalten. Was für ein wunderbarer, abwechslungsreicher Tag!