Während wir heute Vormittag noch ganz friedliebend frühstücken und Blog schreiben, steht nachmittags ein Programm ganz anderer Art auf dem Programm. Ich möchte nämlich gerne einen Schießstand besuchen. Das Taxi bringt uns in eine Gegend, die der Sin City alle Ehre macht: Stripclubs und Bordelle lösen einander ab, zwischendrin ein Liquor Store und eine Anwaltskanzlei. Ganz in der Nähe werden wir auf dem Gelände des „Battlefield Vegas“ abgesetzt, wo mehrere Panzer und Armeefahrzeuge herumstehen.
Im Geschäft gibt es von Waffen unterschiedlicher Art über Sparbüchsen in Granatenform bis hin zu kulleräugigen Kuscheltieren alles Mögliche zu kaufen. Am Empfangstresen kann man sich für den Gebrauch bestimmter Waffen oder aber für ganze Packages entscheiden. Ich zucke innerlich zusammen, als ich das Kinder-Paket überfliege. Schon Zehnjährige dürfen hier rumballern! Olaf und ich wählen die GI Jane Experience, die das Schießen mit der Pistole SIG Sauer P-226, mit der Maschinenpistole MP5 von Heckler & Koch sowie dem Colt M4 Karabiner beinhaltet. Als wir Schutzbrillen und Kopfhörer aufgesetzt haben, führt uns ein Angestellter in Tarnuniform durch eine Sicherheitsschleuse auf den Schießstand.
Als einzige Frau in dem Raum werde ich erst mal von den anwesenden Männergruppen beäugt, die hier auf Osama bin Laden-Poster schießen. Es ist trotz Kopfhörer ohrenbetäubend laut, wenn einzelne Schüsse fallen oder ganze Salven ausgespuckt werden. Ich bekomme eine kurze Einweisung im Umgang mit der Pistole und dann geht’s los. Arm ausstrecken, linkes Auge zukneifen, Ziel fixieren (ich schieße übrigens nicht auf Osama, sondern einen stilisierten Mann), abdrücken. Der Rückstoß ist stärker als erwartet, doch schnell habe ich mich daran gewöhnt. Nach 20 Schüssen sind die Maschinenpistole und dann der Karabiner dran. Beim Einzelfeuer ziele ich auch mal auf den Kopf, bei Dauerfeuer ausschließlich auf den Brustbereich. Die Rückstöße auf meine Schulter sind nicht gerade angenehm und überhaupt gefällt mir das Rumballern á la Rambo deutlich weniger als der Einzelfeuer-Modus. Den finde ich fast schon entspannend. Beim Zielen bin ich so konzentriert, dass mich eine tiefe Ruhe überkommt und ich die Knallerei um mich herum kaum mehr wahrnehme. Vielleicht wäre „meditatives Schießen“ eine Geschäftsidee für Deutschland? Spaß beiseite, es ist jedenfalls eine interessante Erfahrung für mich. Nach mir testet Olaf die Waffen und sein Fazit lautet trocken: „Eine Aktivität auf meiner Bucket List ist hiermit abgehakt.“
Wir beide sind überrascht, dass selbst blutige Anfänger wie wir recht präzise Schüsse abgeben können. Beim Anblick der zahlreichen Löcher in Herz- und Kopfgegend des Papiermannes kann man sich problemlos vorstellen, welchen Schaden eine derartige Waffe in den falschen Händen anrichtet. In diesem Zusammenhang kommt uns natürlich auch an der Amoklauf in Las Vegas im Oktober 2017 in den Sinn, als ein pensionierter Buchhalter von seinem Hotelzimmer aus 58 Konzertbesucher erschoss und 851 weitere verletzte. Und somit schwören wir den Schusswaffen wieder ab und verwandeln uns in die friedlichen Europäer zurück, die wir ja eigentlich sind.
Am heutigen Abend müssen wir keinen Fuß mehr vor die Türen des „Waldorf Astoria“ setzen, um etwas zu essen, denn Olaf hat einen Tisch im hoteleigenen Restaurant „Twist by Pierre Gagnaire“ im 23. Stock reserviert. Eine exzellente Wahl, wie sich herausstellt. Mein Waygu-Rind in Rotweinsauce ist zart und sehr schmackhaft und für Olafs Ente gilt dasselbe. Wir speisen vorzüglich!