Heute steht womöglich DAS Highlight unserer USA-Reise an: Mit dem Hubschrauber werden wir den Grand Canyon erkunden! Gegen 10 Uhr holt uns eine schwarze Stretchlimousine von Sundance Helicopters ab und wir schwatzen auf der Fahrt mit einem im Baugewerbe tätigen Amerikaner und seiner Familie. Am Flughafen angekommen werden wir gewogen, erhalten unsere Pässe und Auskunft über den Ablauf des Trips. Als wir gerade dabei sind, uns das Sicherheitsvideo anzusehen, winkt man uns an den Empfang zurück. Eine Angestellte erklärt uns leicht peinlich berührt, der Hubschrauber hätte mit uns eingeplanten sechs Personen (wir beide und die Familie aus der Limo) an Bord deutlich zu viel Gewicht! Wir trauen unseren Ohren kaum! Zu fett für den Heli?! Das kann doch wohl nicht wahr sein. Okay, der amerikanische Daddy ist ziemlich kräftig und auch seine Frau kein Gerippe, aber keiner von uns hat ansatzweise Ottfried-Fischer-Dimensionen! Die Lady am Empfang bittet Olaf und mich, den Ausflug auf morgen zu verschieben. Wir machen lange Gesichter. Wir haben uns darauf gefreut und umsonst gewartet, na toll. Immerhin soll das Wetter morgen auch mitspielen und nebenbei erhalten wir 200 Dollar Preisnachlass. Wir lassen also der amerikanischen Familie den Vortritt und werden unverrichteter Dinge wieder zum Hotel zurückgebracht.
Was fangen wir spontan mit diesem Tag an? Ich recherchiere ein wenig herum und präsentiere meinem Mann einen neuen Plan: die Erkundung des ältesten und größten State Park Nevadas, dem Valley of Fire. Gesagt, getan. Mit unserem neuen Mietwagen, einem dunkelroten Jeep Grand Cherokee, düsen wir auf der Interstate 15 in nördlicher Richtung aus der Stadt hinaus und erreichen eine Stunde später den Eingang des 141 Quadratkilometer großen State Parks. Schon die ersten Eindrücke lassen mein Herz höher schlagen: Zerklüftete Felsformationen in kräftigen orangeroten bis rotbraunen Farben tauchen beiderseits der Straße auf. Wir stoppen zunächst bei den Beehives, eher rundlichen Sandsteinformationen, die durch Wind und Wasser erodiert sind und zahllose Einbuchtungen und Löcher aufweisen. Man wähnt sich fast auf einem anderen Planeten, so eigentümlich sieht die Landschaft hier aus. Nach einer ausgiebigen Erkundungstour fahren wir zum Atlatl Rock, wo wir über eine steile Metalltreppe in luftige Höhen hinaufsteigen, um die Zeugnisse der Felsenkunst früher hier ansässiger Indianerstämme betrachten zu können. Die 4000 Jahre alten Petroglyphen zeigen Tiere mit Hörnern, Menschen, die Speere über ihre Köpfe heben, Hände, Füße, Kreuze und Kreise.
Nur ein paar Minuten vom Atlatl entfernt befindet sich der Arch Rock, ein fragil wirkender Gesteinsbogen. Nachdem wir ihn inspiziert haben, machen wir uns auf den Weg zur Rainbow Vista. Ein sandiger Trail führt uns in eine Wunderwelt der Farben und unterschiedlichster Felsskulpturen. Überall dominieren die roten Sandsteinformationen, die vor 150 Millionen Jahren aus großen Wanderdünen entstanden. Es sind jedoch auch dunkelgelbe Kalksteinfelsen zu sehen, durch die sich altrosafarbenen Streifen ziehen. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus, finde die Gegend einfach wunderschön. Am Ende des Pfads wartet noch ein weiteres Zuckerl auf mich: der Blick in den zerklüfteten Fire Canyon.
Auf unserer Rückkehr zum Wagen fängt es zu regnen an. Oh nein, ich möchte doch so gerne noch zu einer weiteren Attraktion des Parks, der Fire Wave, spazieren! Wir fahren zunächst mit unserer Erkundungstour fort und kommen über die Fire Canyon Road zum Silica Dome. Und dort überraschen uns die Wetterkapriolen so richtig: Die Temperaturen sinken von etwa fünf auf 0,5 Grad Celsius ab und es beginnt kräftig zu hageln! An Wandern ist nun definitiv nicht mehr zu denken, aber dennoch verliert die Landschaft auch bei schlechtem Wetter kaum an Reiz. Zu den Rot- und Brauntönen der Farbpalette gesellt sich nun das Weiß der Hagelkörner auf der Erde.
Auf der Fahrt aus dem State Park heraus geht der Hagel in Regen und dann wieder in Schnee über. Als wir auf die Interstate 15 zurückkehren, hat der Spuk ein Ende und die Nachmittagssonne leuchtet ab und an hinter den Wolken hervor.
Kalt bleibt es trotzdem - auch in Las Vegas. Ich mummle mich im Hotelzimmer dick ein und erkunde dann vor dem Abendessen alleine einen Teil des berühmten Strip. Mittlerweile ist es dunkel geworden und ich lasse die riesigen flackernden Reklametafeln und die beleuchteten Gebäudefassaden auf mich wirken. Am imposanten Hotel „Bellagio“ mit seinem eigenen See halte ich an, um mir das Wasserspiel der Fontänen anzusehen, das zu jeder halben Stunde stattfindet. Als die ersten Töne von Andrea Bocellis und Sarah Brightmans „Time to Say Goodbye“ erklingen, erheben sich wie von Zauberhand auch die Fontänen. Sie folgen dabei der Dramaturgie des Liedes. An den ruhigen Stellen wiegen sie sich sanft wie Schlangen, überkreuzen sich zu kleineren Bögen, bei den emotionalen Parts flitzen sie lebhaft hin und her, schießen teils abgestuft, teils gleichmäßig in die Höhe. Ein wirklich sehenswerter „Wassertanz“, der mich seltsam anrührt.
Von der gegenüberliegenden Straßenseite leuchten der Eiffelturm und der blaue Ballon des „Paris“ herüber. Ich gehe am Megakomplex des „Caesar’s Palace“ sowie am eher nüchternen „Mirage“ vorbei, dann mache ich noch eine Stippvisite beim „Venetian“ mit seiner dem Dogenpalast nachempfundenen Außenfassade, den Kanälen und der Rialtobrücke, bevor ich schnellen Schritts den Heimweg zum „Waldorf Astoria“ antrete. Wir haben heute Abend schließlich noch was vor!
Ein Taxi setzt uns beim „Stratosphere“-Gebäude ab: Hotel, Casino und mit 350 Metern der höchste freistehende Aussichtsturm der USA. Ein Aufzug bringt uns in den 106. Stock, wo mein Göttergatte einen Tisch im Restaurant mit dem passenden Namen „Top of the World“ reserviert hat. Wir müssen jedoch trotzdem erst einmal 20 Minuten im zugigen Vorraum warten und sind davon ziemlich genervt. Die schlechte Stimmung verfliegt jedoch sofort, als wir an unseren Platz direkt an der Fensterfront geführt werden und das nächtliche Las Vegas funkelnd vor uns ausgebreitet sehen. Die Aussicht wird auch nie langweilig, denn das Restaurant dreht sich innerhalb von 80 Minuten einmal um seine eigene Achse. Zusätzlich zum spektakulären Ausblick genießen wir das gute Essen, gute Weine und die Freundlichkeit unseres Kellners, der in Las Vegas geboren und aufgewachsen ist. Als plötzlich Schneeflocken um den Turm wirbeln, erzählt er uns, er habe in seinen 52 Lebensjahren vielleicht zehnmal erlebt, dass es hier schneit. Eine Seltenheit also...
Nach dem gelungenen Dinner fahren wir noch zwei Stockwerke nach oben, wo sich hartgesottene Adrenalin-Junkies beim SkyJump am Bungeeseil in die Tiefe stürzen. Noch dazu bei dieser Kälte! Brrr... Ich friere schon beim Zusehen und verzichte dankend auf dieses Erlebnis. Lieber ab zu unserem Hotel, wo eine heiße Dusche sowie ein weiches Bett auf uns warten.