Tag 9, 19.02., Der großartige Grand Canyon aus der Vogelperspektive


Nachdem wir den Vormittag damit verbracht haben, unsere Siebensachen einzusammeln, die Koffer zu packen und auszuchecken, heißt es gegen Mittag: Und täglich grüßt das Murmeltier. Ein drittes Mal in Folge holt Sundance Helicopters uns nämlich am Hotel ab. Langsam wird die Fahrt in der Stretchlimo noch zur Routine! Eigentlich stehen die Chancen gut, dass wir heute fliegen - die Sonne strahlt vom Himmel, für den Grand Canyon gibt es keine Wetterwarnung. Ich bleibe trotzdem erst mal vorsichtig und will mich bloß nicht zu früh freuen. Erst als der junge Pilot Erik uns und ein Pärchen aus England zum knall-orangefarbenen Hubschrauber führt und auf witzige Weise letzte Instruktionen gibt, wage ich zu glauben, dass der Flug zum Grand Canyon tatsächlich stattfindet! Olaf und ich nehmen vorne neben Erik Platz und kurze Zeit später schweben wir in die Lüfte empor. Hurra! 


Schnell lassen wir Las Vegas hinter uns und überfliegen eine trockene Berglandschaft in sandfarbenen, rötlichen, dunkelbraunen und grauen Farbschattierungen. Es dauert nicht lange, bis wir die blauen Wasser und „ausgefranste“ Uferlinie des Lake Mead erspähen. Mit einer Fläche von 640 Quadratkilometern, einer Länge von circa 180 Kilometern, einem maximalen Speicherinhalt von 35 Milliarden Kubikmetern und einer Tiefe von bis zu 149 Metern ist er der größte künstlich geschaffene See der USA. Aufgestaut wird der Colorado River durch den 221 Meter hohen Hoover Dam, den wir kurz überfliegen und der selbst von weit oben noch sehr imposant wirkt. Die Menge an Beton, die bei seinen Bau in den 1930er Jahren verwendet wurde, würde ausreichen, um einen zweispurigen Highway von San Francisco nach New York zu bauen! Die Talsperre dient vor allem der kontrollierten Wasserversorgung von Arizona, Nevada und Kalifornien. Unser Pilot weist uns auf den hellen Streifen an den Ufern des Sees hin - den ursprünglichen Wasserspiegel, der in den letzten zwanzig Jahren kontinuierlich abgesunken ist. Dies liegt wohl zum einen am Wasserverbrauch durch die Landwirtschaft, zum anderen an einer gravierenden Trockenphase. 


Es dauert nicht lange und wir erreichen das absolute Highlight unserer Tour: Vor uns öffnet sich der Grand Canyon, fast 450 Kilometer lang, bis zu 30 Kilometer breit und bis zu 1.800 Meter tief. Soweit die nüchternen Fakten. Doch wie soll ich ihn beschreiben? Mir fehlen fast die Worte. Er ist einfach atemberaubend schön. Gigantisch. Majestätisch. Die Sonne tut ihr Übriges, um die Felswände durch das Spiel aus Licht und Schatten noch fantastischer wirken zu lassen: Ihre Kanten, Vorsprünge, Einbuchtungen treten deutlich hervor. Das Gestein leuchtet in einem goldenen Sandton, teilweise von rötlichen Schichten durchzogen. 


Wir folgen dem Lauf des Colorado River, der sich weit unter uns in einem milchigen Rotbraun durch die Schlucht schlängelt. Zwischendurch tanzen ein paar Schneeflocken durch die Luft, geben aber nur ein kurzes Gastspiel. Ich muss mich zwingen, nicht ständig zu fotografieren und zu filmen, sondern auch einmal innezuhalten und einfach nur zu schauen. Zu bewundern, zu staunen und mir klarzumachen: Dies ist kein Film, das ist real. Wir fliegen gerade wirklich durch den Grand Canyon! Fassbarer wird das alles für mich, als wir in halber Höhe auf einem Plateau landen und 30 Minuten Zeit dafür haben, den grandiosen Anblick auf uns wirken zu lassen. Wir spazieren zum Rand der Ebene, legen dort eine Fotosession ein und während die anderen zu Erik zurückkehren, der kleine Picknickkörbe verteilt und süßen Champagner ausschenkt, bleibe ich noch ein wenig für mich, um der Stille im Canyon zu lauschen.


Kurze Zeit später heißt es leider schon wieder Abschied nehmen von diesem Naturwunder. Wir kehren in das Paralleluniversum Las Vegas zurück, wo wir noch den Strip abfliegen und alle glamourösen Hotels von oben betrachten können, bevor wir schließlich am Flughafen McCarran landen. Ich bin so froh, dass wir doch noch die Gelegenheit hatten, diesen Ausflug zu unternehmen! Ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde...


Wir sagen Las Vegas auf Wiedersehen und brechen mit unserem Mietwagen zum nächsten Etappenziel auf: dem Zion National Park. Für die 164 Meilen nach Springdale benötigen wir auf dem Interstate 15 und dem Highway 9 fast drei Stunden. Wir verlassen Nevada, kommen nach Arizona und überqueren schließlich die Grenze zu Utah. Da es mittlerweile dunkel geworden ist, können wir die Berglandschaft um uns herum nur erahnen. Es wird kälter, die Temperaturen sinken unter null Grad. Schnee schimmert im Mondlicht. Gegen kurz nach acht Uhr erreichen wir die Kleinstadt Springdale und unser Hotel „SpringHill Suites“. Wir checken ein und werden von der freundlichen Rezeptionistin darüber informiert, dass viele Restaurants entweder schon geschlossen sind oder bald zusperren werden. Olaf und ich beschließen deshalb, uns erst einmal um unser leibliches Wohl zu kümmern, bevor wir die Sachen aufs Zimmer bringen. Als wir eine Sportbar betreten, die angeblich „erst“ um 21 Uhr schließt, wird uns gleich mitgeteilt, dass die Küche schon zu habe. Ein zweiter Versuch, dieses Mal bei einem Thai-Restaurant, scheitert ebenso: Bei dieser Adresse ist alles dunkel. Zum Glück brennt bei „Zion Pizza & Noodle Co“ noch Licht und wir dürfen tatsächlich auch noch etwas zu essen bestellen. Meine „European Trail“-Pizza mit Knoblauch, frischen Tomaten, Feta und Oliven schmeckt sehr lecker... kein Vergleich zu dem „Pizza Hut“-Erlebnis in Palm Springs. Beim Essen amüsieren wir uns darüber, wieder in einer völlig anderen Welt gelandet zu sein. Das schicke Las Vegas mit seinen unzähligen Restaurants und quirligen Nachtleben liegt weit hinter uns, hier werden offensichtlich schon früh die Bürgersteine hochgeklappt. 


Pappsatt kehren wir zum Hotel zurück und beziehen unser modernes, für ein 2-Sterne-Hotel erstaunlich luxuriöses Zimmer. Gute Nacht!