Im Flughafengebäude wähnen wir uns erst einmal in Ostasien, denn eine Riesengruppe von Chinesen bevölkert den Wartebereich. Entsprechend hoch ist der Geräuschpegel in der Halle. Nachdem das Gepäck gewogen wurde, dauert es zum Glück nicht mehr lang, bis Pilot Luis uns auf das Flugfeld führt. Heute wartet kein Heli, sondern eine Cessna 207, die uns nach Las Vegas zurückbringen wird. Zum Glück verfügt die kleine Chartermaschine über vier Sitzreihen, denn die beiden sperrigen Koffer brauchen ganz schön viel Platz.
Olaf nimmt vorne neben Luis Platz, um mit ihm ein wenig fachsimpeln zu können - immerhin hat mein Mann ja auch eine Pilotenlizenz und Erfahrung mit Cessnas. Ich sitze hinter den beiden und bekomme nur einen schlichten Kopfhörer ohne Interkom, kann also während des Fluges weder hören, was die Herren so plaudern, noch kann ich mit ihnen kommunizieren. Ts, ts, ts... So verbringe ich die nächsten eineinhalb Stunden damit, die unbesiedelte Landschaft unter mir - sich dahinschlängelnde Canyons, schneebedeckte Plateaus, fahlgrüne Forste, rötliche Gesteinsformationen, zernarbte braune Einöden, zerklüftete dunkle Bergketten - aus der Vogelperspektive zu betrachten, hin und wieder einzunicken und gehörig zu frieren. Schließlich tauchen die blauen Wasser des Lake Mead und wenig später die bekannte Silhouette von Las Vegas vor uns auf. Wir sausen beim Anflug auf den Flughafen McCarran International noch einmal an den berühmten Hotels am Strip vorbei und landen etwa auf Höhe des „Luxor“. Ein Chauffeur bringt uns zum Terminal 3, von dem aus die United-Linienflüge nach San Francisco starten. Leider hat unser Flug fast eineinhalb Stunden Verspätung, doch so etwas wie Langeweile kommt trotzdem nicht auf. Wir nutzen die Zeit nämlich - Wer hätte es geahnt? - zur Durchsicht der Fotos und zum Blogschreiben.
Als wir endlich in San Francisco landen, ist es bereits dunkel und regnerisch. Wir erwischen einen Taxifahrer mit spezieller Service-Haltung. Er lässt sich zwar dazu herab, den Kofferraum zu öffnen, schaut mir aber dann seelenruhig dabei zu, wie ich mich mit dem schweren Koffer abmühe und ihn ins Auto wuchte. Olaf hilft er natürlich auch nicht, sondern tut lieber so, als müsse er den Kofferraumdeckel hochhalten. Während der Fahrt lässt er erst einmal die beiden vorderen Fenster so weit offen, dass der kühle, regengeschwängerte Luftzug uns voll erwischt. Dem Herrn Taxifahrer macht es ja nichts aus, er hat eine warme Mütze über den Ohren. Erst auf unser zweimaliges Bitten hin schließt er die Fenster. Sein Navigationstalent lässt - trotz der Wegbeschreibung auf dem Handy- ebenfalls zu wünschen übrig. Wir kurven durch das abendliche San Francisco und erhaschen erste Eindrücke: von ein paar Hochhäusern, den charakteristischen steilen Straßen, den berühmten Tramwagen, wunderhübschen viktorianischen Häusern, dezent beleuchteten Restaurants, bunt bemalten Geschäften, imposanten Kirchen... Was ich sehe, gefällt mir sehr gut.
Nach etwa einer Dreiviertelstunde kommen wir bei der „Lodge at the Presidio“ an, unserer Unterkunft für die nächsten Tage. Das frisch renovierte Boutiquehotel liegt im Herzen des über 600 Hektar großen Presidio-Parks, einem ehemaligen Militärstützpunkt, und befindet sich in einem historischen Ziegelbau von 1897, in dem früher Soldaten untergebracht waren. Uns erwarten hohe Decken, Parkettböden, stilvolle Einrichtung und eine angenehme Lichtstimmung. Auch unser Zimmer gefällt uns - besonders die Aussicht auf die Golden Gate Bridge, das Wahrzeichen der Stadt, das in der Dunkelheit schwach zu uns herüberschimmert.
Wir halten uns nicht lange im Hotel auf, sondern gehen die Straße hoch, am Walt Disney Museum vorbei und erreichen nach ein paar Hundert Metern das Restaurant „The Commissary“, das sich ebenfalls in einem historischen Backsteingebäude befindet. Wir werden an unseren Platz geführt und staunen erst mal nicht schlecht. Wir sitzen nämlich auf Hockern am Küchentresen und können den jungen Köchen bei der Arbeit zusehen! Direkt vor uns wird gehackt, gebraten, angerichtet... Das wunderbare Dinner und unser schäkernder Kellner sorgen für gute Stimmung. Wir haben seit Tagen nicht mehr so hochwertig gegessen, stürzen uns auf das hausgemachte Sauerteigbrot, das intensiv schmeckende Olivenöl, den wohlschmeckenden Käse und das zarte Hühnchen mit Dattelsauce. Dazu wird uns ein hervorragender lavendelfarbener Gin & Tonic kredenzt. Als sich herausstellt, dass der Koch, der direkt vor unseren Augen herumhantiert, ein Deutscher ist, unterhalten wir uns natürlich ausgiebig mit ihm. Da es schon auf 22 Uhr zugeht und sich das Lokal zunehmend leert, hat er auch Zeit dafür, unsere interessierten Fragen zu beantworten. Er berichtet beispielsweise von der Drogenkriminalität in bestimmten Vierteln, die man nachts besser meidet, vom Rat seiner Nachbarn, sich eine Waffe zuzulegen und darüber, wie teuer das Leben in San Francisco ist. Für seine Zweizimmerwohnung zählt er monatlich 4.500 Dollar! Er kann sich die Miete nur leisten, weil er vorher in der Schweiz ganz gut verdient hat. Als wir uns über die Qualität des Essens in den Vereinigten Staaten unterhalten, bestätigt der Koch unsere Vermutung: Qualitativ hochwertiges Essen ist hier wirklich teuer, für normal verdienende Arbeiter somit unerschwinglich. Wir berappen für das dreigängige Abendessen inklusive Drinks übrigens 240 Dollar! Wahnsinn.