Beim Frühstück lernen wir heute eine junge Amerikanerin kennen, die sich vor Freude schier überschlägt, dass wir aus Deutschland - noch besser: aus dem Süden - kommen. Sie outet sich als glühender Fan von Bayern, schwärmt von den Alpen und dem Örtchen Mittenwald, das sie besucht hat. Und nirgendwo auf ihren Reisen sei es so sauber gewesen wie in unserer Heimat! Ich schmunzele innerlich über ihren Enthusiasmus, freue mich aber auch.
Nach dem Essen packen wir unsere Sachen, beladen das „Biest“ und sagen unseren freundlichen Gastgebern Therese und Bart sowie Hund Zubaidi Lebewohl. Nicht für lange, wie sich bald herausstellt. Kaum sind wir auf der Harbour Bridge, bekommen wir eine Nachricht von Bart: Mein Mann hat seinen Wäschebeutel liegen lassen. Also Kommando zurück, wir düsen wieder zum B&B und sammeln Olafs Wäsche ein. Nun geht es aber endgültig aus der Stadt hinaus! Wir geben den Ort Kerikeri ins Handy-Navi ein und müssen grinsen: Die Anweisung ist denkbar einfach: Erst einmal 128 Kilometer nur geradeaus. Zunächst herrscht auf der N1 in Richtung Norden dichter Verkehr, doch als wir Auckland und North Shore hinter uns lassen, wird es ruhiger. Wir fahren durch eine einsame Hügellandschaft, die von dichtem Wald bedeckt ist. Später wird dieser immer spärlicher und auf den ausgedehnten Weideflächen drängen sich Gruppen dunkler Rinder unter den wenigen schattenspendenden Bäumen zusammen, um Schutz vor der prallen Sonne zu haben.
Hinter Brynderwyn erwartet uns eine schöne Aussicht auf die landwirtschaftlich genutzten Gegenden um Waipu, auf die blaue Bream Bay und die dahinter aufragenden Berge Mount Manaia, Mount Lion sowie Bream Head. Wir stoppen hier kurz, um die Landschaft zu bewundern, doch auch auf dem Parkplatz selbst gibt es Blickfänge: zwei türkisfarbene Oldtimer Mercury Montclair mit weißem Verdeck aus den 1950ern und 60ern. Hach, genau meine Farbe! Ich muss lachen, als ich genauer hinsehe: Im Schatten des einen Oldtimers haben drei Hühner Zuflucht gesucht! Offenbar gefällt ihnen das Auto auch...
Wir fahren weiter durch eine Landschaft, die in der Gegend um Kawakawa den grünen Hügeln meiner niederbayerischen Heimat ähnelt - wären da nicht diverse Bäume und Büsche, die in Deutschland garantiert nicht zu finden sind. Bei Pakaraka verlassen wir die N1 und nehmen die N10, die uns nach Kerikeri bringt, eine geschäftige kleine Stadt umgeben von Obstplantagen. Während Olaf unseren vollbepackten Wagen hütet, starte ich einen Großeinkauf im „Countdown“-Supermarkt. Die nächsten vier Nächte werden wir nämlich in einem gemieteten Häuschen außerhalb der Ortschaft verbringen und uns selbst versorgen. Olaf kann nicht fassen, wie viele Tüten an Lebensmitteln ich anschleppe. Man sollte nie mit hungrigem Magen einkaufen gehen...
Wir verlassen Kerikeri in nördlicher Richtung und kurven durch eine idyllische, dünn besiedelte Gegend mit sanften hellgrünen Hügeln und ein paar Rindern. In der Ferne blitzt blau die Te Puna Bucht. Kurze Zeit später, nach insgesamt dreieinhalb Stunden reiner Fahrzeit und gut 260 Kilometern, erreichen wir unser Refugium für die nächsten Tage, die „Driftwood Seaside Escapes“. Auf einer Schotterpiste ruckeln wir zu unserem putzigen grauen Holzhäuschen namens „The Hammock“ hinunter, wo uns die beiden Terrier der Besitzerfamilie erst einmal einen stürmischen Empfang bereiten. Wir wissen bereits, dass wir uns selbst hereinlassen dürfen, das Haus ist nicht abgeschlossen. Die Spannung steigt... zumal dies eine der Unterkünfte ist, die ich höchstpersönlich ausgesucht habe. Hoffentlich gefällt sie uns! Wir öffnen die Tür, werfen einen Blick ins Innere - und sind begeistert. Das Cottage besteht aus einem großzügigen, hellen Wohnraum, der sofort einladend und gemütlich wirkt. Die Einrichtung ist konsequent im maritimen Stil gehalten: Weiß-, Blau- und Rottöne dominieren, überall findet sich hübsche Muscheldeko, Bilder von Booten und Sprüche zum Meer und Strandleben schmücken die Wände. Und dann erst der Blick aus den bodentiefen Fenstern! Wir sitzen quasi in einem von dichter Vegetation umgebenen „Baumhaus“, das auf Pfählen in den Hang gebaut wurde, und blicken hinunter auf das blaue Wasser der Te Puna Bucht. Herrlich! Hier bleiben wir gerne für die nächsten Tage. Olaf umarmt mich und sagt: „Das hast du gut ausgesucht!“
Ich verstaue schnell die Lebensmittel im Kühlschrank und dann laufen wir auf dem schmalen Waldweg zu unserem kleinen Privatstrand hinunter, wo zwei Kanus darauf warten, ins Wasser gelassen zu werden. Wir bleiben ein Weilchen hier unten, saugen die Szenerie in uns auf und spielen mit den beiden Terriern, die uns begleitet haben.
Zurück im Häuschen packe ich erst einmal den Koffer aus. Unsere braun gebrannte Gastgeberin Vanessa kommt vorbei, schaut kurz nach dem Rechten und informiert uns, dass sie und ihre Familie übers Wochenende zum Segeln gehen. Ihr Haus, das sich gleich neben unserem befindet, sei nicht abgeschlossen, wir könnten es gerne betreten, wenn wir etwas bräuchten. Wow, das nenne ich mal eine relaxte Einstellung! Um Einbrüche müssen wir uns hier wohl keine Sorgen machen.
Da es bereits auf 19 Uhr zugeht, will ich Abendessen kochen und scheitere beinahe am Gasherd. Wie schalte ich ihn ein und wie zum Teufel verhindere ich das Erlöschen der Flamme? Nach einigen Fehlversuchen habe ich dann doch noch den Dreh raus und kredenze meinem Mann gebratenen Snapper mit Butterkartoffeln und Salat. Nachdem alles verputzt ist, setzen wir uns mit einem Glas Rotwein auf den Balkon, legen die Füße auf die Brüstung, genießen den Ausblick auf das Meer im bläulichen Licht der Dämmerung und lassen gemütlich den Tag ausklingen.