Unser Bett im „Hammock“-Häuschen scheint eine beinahe magische Anziehungskraft auf uns auszuüben - wie lässt sich sonst erklären, dass wir hier jeden Tag bis in die Puppen schlafen? Bis wir gefrühstückt und uns angezogen haben, geht es bereits auf Mittag zu. Der während der Nacht aufgekommene Regen wird weniger und hört schließlich ganz auf. Zeit für neue Unternehmungen!
Nachdem ich ein wenig im Internet recherchiert habe, buchen wir kurz entschlossen beim Unternehmen „GreatSights“ eine Bootstour mit dem klangvollen Titel „Cliffs & Caves“. Sie startet bereits um 14 Uhr im 40 Kilometer entfernten Paihia, was für uns Schluss mit Herumbummeln bedeutet. Wir cremen uns mit Sonnenlotion ein, springen in unser weißes „Beast“ und düsen nach Paihia. Der Küstenort ist aufgrund seiner zentralen Lage in der Bay of Islands der Sitz zahlreicher Tourenanbieter und mit seinen vielen Cafés, Restaurants und Unterkünften ganz auf die Touristen eingestellt - besonders hübsch finde ich ihn allerdings nicht. Wir holen unsere Tickets bei „GreatSights“ ab und spazieren zum Anlegesteg hinunter, wo bereits unser Boot, der schnittige rote Island Adventurer, auf uns wartet. Wir werden vom jungen Skipper Chris und der ebenso jungen Jenna freundlich empfangen, bekommen Schwimmwesten ausgehändigt und dürfen es uns an Bord bequem machen. Platz gibt es mehr als genug: auf dem Boot, das sicherlich Platz für 30 Passagiere bietet, sind wir anfangs nur zu viert! Im Ort Russell, den wir nach zehn Minuten Fahrt erreichen, steigen noch drei weitere Gäste zu. Russell war in den 1830ern ein beliebter Standort der Walfänger und aufgrund seiner ungehobelten, rauflustigen und trinkfreudigen Einwohner als „Hellhole of the Pacific“ bekannt. Diese Bezeichnung passt so gar nicht mehr zu seiner Anmutung in der heutigen Zeit: Der malerische Ort mit seinen gepflegten historischen Häusern wirkt überaus friedlich.
Wir stechen wieder in See und beginnen mit unserer Erkundung der Bay of Islands, einer großen Bucht mit rund 150 teils bewohnten, teils unbewohnten Inseln und zahlreichen Meeresarmen. Zunächst steuert Chris das Boot nach Norden. Sobald wir den Schutz der Landzunge verlassen, wird die grüne See rau. Wir brettern über die Wellen und werden dabei ordentlich durchgeschüttelt. Ich komme aus dem Grinsen nicht mehr heraus, denn hier bin ich in „meinem Element“, wie Olaf so schön formuliert. Meer, Wind, Wellen, Sonnenschein - herrlich! Unser erster Stopp gilt den Black Rocks, die unweit der zweitgrößten Insel der Bay, Moturua, liegen. Die aus dem Wasser ragenden, skurril geformten schwarzen Felsen aus Basalt sind die sichtbaren Spitzen von erkalteten Lavaströmen infolge von Vulkanausbrüchen. Diese skurril geformten Basalt-Gebilden sind sehr selten - es gibt sie weltweit nur an drei Orten.
Wir setzen unsere kleine Achterbahnfahrt auf den Wellen fort und fahren zur Insel Motuarohia („geliebte Insel“), auch Roberton Island genannt. Captain James Cook ankerte hier 1769 mit der „Endeavor“ und beantwortete eine Auseinandersetzung mit den dort lebenden Māori mit Gewehrfeuer. Chris fährt so nahe wie möglich zu einer Höhle im Fels und zeigt uns anschließend die hübschen Strände auf der Südseite. Eine Handvoll Ferienhäuser verstecken sich in der dichten Vegetation; bis auf einen Verwalter lebt hier niemand permanent.
Die von Manuka- und Kanukabäumen dominierte Nachbarinsel Moturua mit ihren 27 archäologischen Fundstätten (die ersten polynesischen Siedler scheinen hier gelebt zu haben) ist weitgehend im Besitz der Regierung, doch auch hier hat ein Multimillionär sein Feriendomizil. Chris zeigt uns ein Haus mit riesigen Glasfronten in Strandnähe, das sich dem Gefälle des Hanges, auf dem es gebaut wurde, perfekt anpasst. Es scheint die Senke förmlich hinabzugleiten. Sein Besitzer ist Craig Heatley, der Gründer von Sky Television. Mit einem geschätzten Vermögen von 200 Millionen Neuseeländischen Dollars konnte er es sich auch leisten, einen Tunnel in den Hügel graben zu lassen, der zwei Buchten miteinander verbindet. Motokiekie, die nächstliegende, 28 Hektar große Insel im Osten, ist circa sechs Millionen NZ-Dollar wert und zur Gänze in Privatbesitz.
Wie es sich anfühlt, eine Insel ganz für sich zu haben, erleben wir auf Waewatorea. Chris setzt uns für eine gute halbe Stunde in der halbkreisförmigen, vor hohen Wellen geschützten „Stingray Bay“ ab und holt in der Zwischenzeit Gäste von Urupukapuka ab. „Unsere“ Insel ist wunderschön! Glasklares, türkisblaues Wasser trifft auf einen breiten, feinsandigen Strand, dahinter erheben sich mit Wiesen und kleinen Wäldern bedeckte Hügel. Wie von Skipper Chris empfohlen, nehmen wir einen steilen, schmalen Pfad am Ende des Strandes und wandern zur Kuppe eines Hügels empor. Bei 25 Grad und strahlendem Sonnenschein eine schweißtreibende Angelegenheit, aber die herrliche Rundumsicht auf die Bay of Islands entschädigt für alles.
Für meinen Geschmack sammelt Chris uns viel zu früh ein. Kaum sind wir den Hügel heruntergestolpert, müssen wir die Insel auch schon wieder verlassen und düsen mit voller Geschwindigkeit zurück nach Paihia. Dort gönnen Olaf und ich uns noch ein Eis. Die Verkäuferin meint es besonders gut und formt die gigantischsten Kugeln, die ich je gesehen habe.
Wir verlassen den Küstenort und fahren nach Kerikeri, wo ich mir noch die hübschen Rainbow Falls ansehe, die von einer überhängenden Felswand 27 Meter in die Tiefe stürzen.
Zur Feier unseres letzten Abends in Northland gehen Olaf und ich heute zum Essen. Im Zentrum von Kerikeri sitzen wir vor dem „Café Jerusalem“ und probieren israelisches Essen aus, das von diversen Rezensenten im Internet hoch gelobt wird. Mein Hauptgang, ein Mix aus Falafel und Levivot (Gemüsefrikadellen) mit Reis, ist trotz der Dips eine reichlich trockene Angelegenheit. Immerhin schmeckt Olaf das Jerusalem Morav, bestehend aus Hühnerlebern und -herzen (brrrr...).
Zurück in unserem Häuschen packe ich meinen Koffer, da wir morgen früh aufbrechen müssen. Ein Blick durch das Fenster lässt mich innehalten und wieder einmal die Aussicht bewundern. Draußen spiegelt sich nämlich der Mond auf dem Meer und zeichnet einen leuchtenden Pfad ins Wasser...