Tag 47, 30.03. “In a hole in the ground there lived a Hobbit“: Zu Besuch bei Bilbo Baggins


Heute Morgen sagen wir nach dem Frühstück unseren B&B-Betreibern Sue und Phil Lebewohl und verlassen die Coromandel Peninsula, da unser nächstes Ziel auf uns wartet: das 270 Kilometer entfernte Taupo im Zentrum der Nordinsel.


Wir bewältigen die Strecke jedoch nicht in einem Stück, sondern haben bei Matamata einen ganz besonderen Zwischenstopp eingeplant, auf den ich mich schon wahnsinnig freue: Eine Führung durch Hobbiton, Drehort von Pete Jacksons „Lord of the Rings“ und „The Hobbit“! Ich habe beide Bücher von Tolkien gelesen, kenne die Jackson-Filme gut und mag besonders seine „Herr der Ringe“-Trilogie. Wie fieberte ich damals im Jahr 2002 die Weihnachtszeit herbei, um nach einem Jahr des Wartens den zweiten und im Dezember 2003 endlich den dritten Teil über die Leinwand flimmern zu sehen. Schon damals verliebte ich mich in die Heimat von Frodo und Bilbo Baggins und fand es schön, dem malerischen Dorf Hobbiton Jahre später in den „The Hobbit“-Verfilmungen wiederzubegegnen. Die Chance, selbst über die grünen Hügel des Shire zu spazieren, will ich mir nicht entgehen lassen. Mir ist nach dem Lesen diverser Rezensionen zur geführten Tour zwar klar, worauf ich mich einzulassen habe: Auf Massen an Touristen, die in Bussen zum Drehort gebracht und in enger Taktung durchgeschleust werden. Trotzdem: Eine Neuseelandreise ohne Besuch von Bilbos Hobbithöhle? Nahezu unvorstellbar!


Wir stimmen uns bereits im Auto auf das Auenland ein, indem wir uns den bombastischen Soundtrack von Howard Shore anhören, der sofort wieder Bilder und Szenen aus den Filmen heraufbeschwört. Als die ersten Hobbiton-Hinweisschilder auftauchen, steigt meine Vorfreude noch einmal enorm an. Sie lässt sich nach unserer Ankunft auf dem Besucherparkplatz auch nicht vom Anblick der Menschentrauben trüben, die auf den Beginn ihrer Tour warten. Wir vertreiben uns die Zeit bis zu der für 13:10 Uhr gebuchten Besichtigung mit einem Besuch im Souvenirladen, wo es von haarigen Hobbitfüßen über Thorins Pfeife bis hin zu Mittelerde-Lampenschirmen alles gibt, was das Herz des eingefleischten Fans höher schlagen lässt. Schließlich hat das Warten ein Ende und wir besteigen mit rund 40 anderen Interessierten einen grünen Bus, der uns durch trockene Hügellandschaft mit ausgebleichtem Gras bis nach Hobbiton bringt. Auf dem Bildschirm im Bus begrüßt uns Regisseur Pete Jackson höchstselbst und wünscht uns viel Spaß bei der Tour. Als bekannte Szenen aus seinen Filmen gezeigt werden, schmelze ich dahin. 


Nach wenigen Minuten erreichen wir das Gelände der Alexander-Farm, das Jackson im September 1998 bei der Durchsicht von Luftaufnahmen für geeignete Drehorte „entdeckte“. Damals grasten hier Schafe und Rinder, bevor der Aufbau des Filmsets erfolgte (übrigens mit Unterstützung der neuseeländischen Armee!). Die Dreharbeiten zur „Lord of the Rings“-Trilogie begannen im Dezember 1999 und dauerten drei Monate, danach wurde das Set komplett entfernt. Fast zehn Jahre später rückten die Kulissenbauer erneut an und ließen Hobbiton für die „Hobbit“-Trilogie wiederauferstehen - dieses Mal allerdings aus witterungsbeständigem Material. Nach nur zwölf Tagen waren die Dreharbeiten im Herbst 2011 abgeschlossen. Die Filmleute zogen von dannen, doch der Besucherstrom reißt seither nicht ab: Etwa 600.000 Menschen pro Jahr sehen sich den Ort an - obwohl viele davon nicht einmal die Jackson-Filme kennen! Unser junger Guide Eli erzählt uns von den prominenten Gästen in letzter Zeit: Vor zwei Wochen gab sich Pete Jackson die Ehre und außerdem haben wir knapp Harrison Ford verpasst, der vorgestern ganz für sich allein über das Gelände spazierte.


Endlich, endlich geht es auch bei uns los! Wir wandern einen Pfad entlang und - tataaa - erblicken zum ersten Mal Hobbiton mit eigenen Augen. Wie wunderhübsch es ist! Die grüne Hügellandschaft, die blühenden Gärten und natürlich die 44 Hobbithöhlen (oder Smials) mit ihren verschiedenfarbigen runden Türen! Ich bin entzückt von all den kleinen Details, die Hobbiton noch authentischer wirken lassen: Aus einigen Kaminen, die aus den Graskuppen ragen, kommt Rauch, Wäsche hängt zum Trocknen auf der Leine, Blumenkübel schmücken die Eingangsbereiche und die in den Vorgärten und auf Bänken herumliegenden Gegenstände - Imkerkasten und Honiggläser, Pinsel und Farbpalette, ein Käsebrett, eine Schubkarre voller Gemüse - verraten etwas über die Tätigkeiten oder Vorlieben der jeweiligen Bewohner. Zwischen den Blumen und blühenden Sträuchern spielen zahlreiche Schmetterlinge Fangen.


Das ganze Areal ist so weitläufig, dass sich die großen Gruppen darin mit Leichtigkeit verteilen. Wir haben auch genug Zeit, viele, viele Fotos zu schießen und vor den hübschen Smials zu posieren. Ein Highlight ist natürlich Bag End ganz oben am Hügel, die feudale Behausung von Bilbo (und später Frodo) Baggins. Auf der Bank liegt Bilbos Pfeife, am Gartentor hängt das bekannte Schild „no admittance except on party business“ und über der Höhle thront eine imposante, täuschend echt aussehende Eiche, die aus Stahl und Silikon gefertigt wurde. Pete Jackson gefiel die Farbe ihrer Blätter zunächst nicht, deshalb ließ er diese - 200.000 an der Zahl! - im Nachhinein dunkler streichen. Bei anderen Pflanzen wurde ebenfalls getrickst: In Hobbiton sollten Pflaumenbäume zu sehen sein, doch die angelieferten wirkten zu klein. Also pflanzte man größere Apfelbäume, entfernte sämtliche Früchte und hängte für den Dreh falsche Pflaumen hinein.


Wir kommen auch zum Festplatz, wo Bilbo seinen 111. Geburtstag feierte, spazieren zu Samwise Gamgees Smial mit der ockergelben Tür und zum Dorfweiher mit seiner Wassermühle. Die gewölbte Brücke bringt uns zum urigen Green Dragon Inn, wo wir Ginger Beer und Apple Cider gereicht bekommen. Die rustikale Dorfschenke ist gemütlich eingerichtet, über dem Schanktisch hängen Trockensträuße von der Decke, im Kamin brennt ein Feuerchen und man wartet förmlich darauf, dass sich Merry und Pippin laut lachend mit einem Humpen Bier an einen der Holztische setzen. An der Garderobe hängen ein paar Kleidungsstücke wie Schürze, Weste, Umhängetuch und Haube im typischen Hobbit-Stil zum Überstreifen bereit. Ich kann natürlich nicht widerstehen und werfe mich in Schale...


Am liebsten würde ich ins idyllische Hobbiton einziehen, doch nach zwei Stunden nimmt unsere Besichtigungstour leider, leider ein Ende. Wehmütig steige ich in den Bus, der uns zum Besucherzentrum zurückbringt.


Nach weiteren eineinhalb Stunden Fahrt kommen wir bei dem in mediterranem Stil gebauten, von zahllosen Säulen gestützten Pillars Retreat in Taupo an, wo wir die nächsten Tage bleiben werden. Unsere Gastgeber Nancy und Joe begrüßen uns freundlich und führen uns durch das vornehm wirkende Haus zu unserer Suite im ersten Stock. Sowohl das Schlaf- und Wohnzimmer wie auch das angrenzende Bad sind außerordentlich großzügig dimensioniert, alles ist sehr sauber und klassisch elegant eingerichtet. Von den breiten Fensterfronten aus blicken wir auf einen Teil des 1,2 Hektar großen Anwesens. Hier lässt es sich aushalten!


Wir bleiben nicht lange auf dem Zimmer, sondern fahren ins Stadtzentrum, um dort etwas zu Abend zu essen. Auf unserem Weg zum Restaurant erblicken wir zum ersten Mal Lake Taupo, mit einer Fläche von 622 Quadratkilometern der größte (Krater-)See des Landes. Ihn werden wir sicher noch näher erkunden, doch nun hat erst einmal das Dinner oberste Priorität: Im nett eingerichteten „Thai Delight“ genießen wir sehr gute asiatische Küche. Zurück in unserer Suite fallen wir erschöpft auf unser riesiges Bett und erholen uns vom Reisetag.