Heute werden wir die goldenen Strände und grünen Wälder an der Tasman Bay im Norden verlassen, um in eine völlig gegensätzliche Landschaft einzutauchen: die Bergwelt im Zentrum der Südinsel. Früh am Morgen sagen wir Fran, Hund Pepper und der „Split Apple Lodge“ Lebewohl und fahren an der Küste entlang zum Flughafen von Nelson. Olaf verschläft den kurzen Flug von 40 Minuten Dauer komplett, während ich - obwohl ich ebenfalls hundemüde bin - den Blick nicht von den zunächst dicht bewaldeten und später immer schroffer und karger werdenden Bergketten abwenden kann.
Wie landen überpünktlich im regnerischen Christchurch, wo wir in unserem Mietwagen, einem leuchtend roten Toyota RAV4, den State Highway 1 in südwestlicher Richtung nehmen. Die Landschaft ist zunächst völlig unspektakulär: Auf ebenem Farmland reiht sich Viehweide an Viehweide, auf der Kühe oder Schafe grasen. Auf dem SH79 westlich von Geraldine erspähen wir erstmals weiß bestäubte Bergketten am Horizont.
Schließlich erreichen wir das Mackenzie-Becken (benannt nach dem schottischen Schafsdieb und Volkshelden James Mackenzie) und fahren durch eine kaum besiedelte, von goldenem Gras bedeckte Naturlandschaft, die im Westen von den Südalpen und der Ben Ohau Range begrenzt wird. Die Szenerie gestaltet sich umso spektakulärer, je näher die Gebirgszüge rücken. Sie umrahmen die beiden in milchigem Eisblau erstrahlenden Gletscherseen Tekapo und Pukaki. In letzterem spiegeln sich schneebedeckte Bergspitzen - ein geradezu umwerfender Anblick, der Olaf und mich an unsere Kanadareise erinnert. Das einzige, was die Idylle stört, sind die Gruppen von Chinesen, die wir bei jedem Halt vorfinden. Das laute Gequassel und Gerufe und permanente Posieren nervt mit der Zeit.
Wir fahren am Westufer des Lake Pukaki entlang nach Norden und halten auf den imposanten Aoraki/Mount Cook zu, mit 3.724 Metern der höchste Berg Neuseelands. Nach ihm ist das Aoraki Mount Cook Village benannt, unser einsam gelegener Aufenthaltsort für die nächsten Tage, den wir nach zahlreichen Fotostopps am frühen Abend erreichen. Unser Domizil, das „Aoraki Court Motel“, wirkt auf den ersten Eindruck nicht gerade berauschend: Fünf sehr schlichte Häuser umfassen je fünf 25 Apartment-Einheiten. Als wir unser Studio betreten, bin ich jedoch angenehm überrascht: Es ist hübsch und modern in Braun-, Grau- und Türkistönen eingerichtet, sauber und verfügt über eine kleine Küchenzeile. Sein größter Pluspunkt besteht allerdings in der grandiosen Aussicht durch die bodentiefen Fenster. Da unser Zimmer Nr. 26 (eine Nr. 13 gibt es nicht) von der Rezeption aus gesehen in der hintersten Reihe liegt, versperrt uns kein anderes Gebäude den Blick auf die Südalpen: schroffe, teils weiß überzuckerte Berghänge, die im Abendlicht leuchten, zackige Grate, weiße Gletscherfelder. Wunderschön!
Wir halten uns allerdings nicht lange im Apartment auf, sondern fahren zum nahe gelegenen „Old Mountaineers Cafe“, um dort zu Abend zu essen. Leider kann das Lokal nur mit seinem Panoramablick punkten - die Speisen sind eine Enttäuschung. Meine Fettuccine mit frischen Tomaten, Champignons und Oliven entpuppen sich als vorgeschnittene, zerkochte Nudeln, die von Parmesan erstickt in einer wässrigen Sauce schwimmen; die Pilze muss man mit einer Lupe suchen. Ganze drei Spritzer Vinaigrette zieren die oberste Schicht des Beilagensalats, darunter ist er durch und durch trocken. Der angebotene Merlot schmeckt säuerlich, kurzum: das erste unbefriedigende Essen auf unserer Neuseelandreise.
Nach dem Dinner stöbern wir noch ein wenig im Shop des auf dem Hügel liegenden „Hermitage Hotels“ herum und kehren dann auf unser Zimmer zurück. Heute Nacht werden die Uhren auf Winterzeit zurückgestellt, sodass wir eine Stunde länger schlafen dürfen. Hurra!