Als wir heute früh die Vorhänge zurückziehen, scheint wieder die Sonne, doch die schneebedeckten Bergspitzen im Norden tragen eine Wolkendecke auf ihren Häuptern - womöglich ein Vorbote der Schlechtwetterfront, die Mount Cook Village gegen Abend erreichen soll. Uns braucht das nicht mehr zu kümmern, denn wir brechen nach dem Frühstück zu unserem neuen Ziel, der Region um Queenstown, auf.
Zunächst fahren wir wieder am leuchtend blauen Pukaki Lake entlang und biegen dann auf den Highway 8 ab, der uns weiter nach Süden bringt. Kurz vor einem Ort mit dem klangvollen Namen Omarama (der perfekte Name für eine Seniorinnen-Band!) weist ein Schild auf die 400 Meter entfernte Abzweigung zum Clay Cliffs Scenic Reserve hin. In Windeseile konsultiere ich den auf dem Handy abgespeicherten Reiseführer, lese etwas von beeindruckenden Felsformationen und mache Olaf darauf aufmerksam. Spontan weichen wir von unserer eigentlichen Route ab und folgen den Hinweisschildern. Die asphaltierte Straße wird bald von einem Schotterweg abgelöst, der mehrere Kilometer durch Privatland führt. Schließlich rücken die Clay Cliffs in unser Sichtfeld: Mächtige, eng aneinander gedrängte Felszinnen, die sich schroff und kahl aus den mit niedrigem Buschwerk bedeckten Hängen erheben. Vom Parkplatz aus schlängelt sich ein Weg zu ihnen hinauf und führt durch einen Spalt zwischen zwei der Nadeln. Hinter dem schmalen Durchlass offenbart der Ort seine ganze bizarre Schönheit: Rundherum ragen goldene Felsnadeln und -zacken in den blauen Himmel - majestätische Kathedralen und Türme aus Schichten von Lehm und Kies.
Nach diesem wunderbaren Abstecher setzen wir unseren Weg in Richtung Queenstown fort. Zunächst zieht sich die Straße schnurgerade dahin und lässt uns an ähnliche Fahrten durch den Südwesten der USA denken. Das ändert sich jedoch, als die Dunstan Range und weitere, mit goldenen Grasbüscheln übersäte Berghänge immer näher rücken und der Highway 8 den 971 Meter hohen Lindis Pass hinaufführt.
In der Umgebung von Tarras durchqueren wir ebenes und grüneres Gebiet, zahlreiche Schafherden weiden neben der Straße. Dramatischer wird die Landschaft wieder in der Kawarau Gorge, wo sich die Roaring Meg (es existieren mehrere Legenden darüber, welches lautstarke Frauenzimmer die Namensgeberin war) am unteren Wasserkraftwerk in den wilden, türkisgrünen Kawarau River ergießt. Nach der Schlucht kommen wir am Weinanbaugebiet von Gibbston vorbei und erreichen schließlich Queenstown. Das quirlige Städtchen am Lake Wakatipu ist bekannt für sein reiches Angebot an (Abenteuer-)Sportarten wie Bungee-Jumping, Rafting, Fallschirmspringen sowie Skifahren und Snowboarden im Winter. Nach der Abgeschiedenheit im Mount Cook Village und in Kaiteriteri kommt es mir richtiggehend seltsam vor, plötzlich wieder so viele Menschen auf den Straßen zu sehen.
Die kleine Einsiedlerin in mir frohlockt, dass sich unsere Unterkunft nicht im Zentrum befindet, sondern in ruhiger, abgeschiedener Lage auf einem Steilhang oberhalb der Sunshine Bay. Kaum haben wir das Tor zur „Azur Luxury Lodge“ passiert, werden wir bereits freundlich empfangen. Der General Manager kümmert sich um unser Gepäck, eine junge Angestellte zeigt uns kurz die stilvoll eingerichteten Gemeinschaftsräume, offeriert uns ein Gläschen Champagner und führt uns dann zu unserer Villa hinunter. Dort erwarten uns 79 Quadratmeter reiner Luxus: ein geräumiger Schlaf-, Ess- und Wohnbereich mit Gaskamin, ein großzügiges Badezimmer mit Wanne und Dusche, große Fensterfronten und eine eigene Terrasse. Geradezu himmlisch ist der Ausblick auf den blauen, von imposanten Bergketten flankierten Lake Wakatipu, den drittgrößten und mit 81 Kilometern zugleich längsten Binnensee Neuseelands. Wir nehmen die Lachs-Sandwiches, die für uns frisch zubereitet wurden, mit auf die Terrasse und genießen erst einmal ausgiebig das Panorama.
Am frühen Abend lassen wir uns vom hoteleigenen Shuttle ins Stadtzentrum bringen, wo wir im winzigen „Bella Cucina“ italienische Gerichte (Bruschetta, Pasta und Tiramisu) schlemmen. Zurück in unserer Villa fläzen wir uns im Schein des Kaminfeuers auf die Couch. Herrlich!