Tag 66, 18.04., Regenbogenküste und Akrobatik in der Mermaid Cove


Heute Morgen steht wieder ein Tauchgang im Inner Reef an, weshalb wir - zumindest für unsere Verhältnisse - schon früh auf den Beinen sind. Von unserem Platz im Restaurant aus bewundern wir einen Regenbogen, der eine bestimmte Stelle im Meer zu markieren scheint. Wir könnten ja gleich nach dem Topf mit Gold tauchen, der uns sicherlich an seinem Ende erwartet!


Nach dem Frühstück schlendern wir zum Beach Club hinunter und warten geduldig, bis alle Mitausflügler eingetrudelt sind. Die „Nemo“ bringt uns zum Tauchboot „Serranidae“, die schon bald darauf in See sticht. Als unser Ziel bekanntgegeben wird, sorgt das bei mir für Stirnrunzeln: Bank’s Bank? Schon wieder? Ich frage irritiert bei der Crew nach, die mich beschwichtigt: Zwar fahren wir zum gleichen Riff, tauchen aber an einer anderen Stelle als vorgestern. Immerhin... 


Heute ist Jason für uns Taucher zuständig und versammelt uns in der stickigen Kajüte, um den Dive Spot und unsere Route zu besprechen. Als wir uns wieder auf dem luftigeren Deck aufhalten, sehen wir einen zweiten Regenbogen, der eine Besonderheit an sich hat: Er spannt sich nicht vom Himmel zur Erde, sondern direkt über dem Meer - als würde er aus dem Wasser auftauchen und gleich wieder darin versinken. Nach einer Weile steht er so niedrig, dass er mit der Küste zu verschmelzen scheint und den Felsen ein buntes Leuchten verleiht. So etwas habe ich noch nie gesehen!


Als die Wellen zunehmend höher werden und sich die Fahrt immer wilder gestaltet, entscheidet sich die Crew wie vorgestern zu einem Kurswechsel und steuert nun die Mermaid Cove an. Unser Tauchgang beginnt mit einer Abwechslung: Wir springen nicht wie sonst von der „Serranidae“ ins Wasser, sondern klettern ins kleine Beiboot hinüber, was in voller Montur gar nicht so einfach ist. Während wir zum Dive Spot düsen, sitzen wir alle auf dem Rand des Schlauchboots und bemühen uns, nicht vorzeitig über Bord zu kippen. Schließlich halten wir an und lassen uns einer nach dem anderen in einer Rückwärtsrolle ins Wasser plumpsen. 


Olaf und mir gefällt der Tauchgang besser als vorgestern, auch wenn die Schäden am Korallenriff hier ebenfalls deutlich zu sehen sind - verursacht durch einen Zyklon, der vor ein paar Jahren in der Gegend wütete, sowie vor allem durch die globale Erwärmung und das Wetterphänomen „El Niño“, welche für außergewöhnlich hohe Wassertemperaturen sorgen und dadurch die Gewässerchemie verändern. Zwischen 1985 und 2012 ging die Korallenbedeckung am Great Barrier Reef von 28 auf knapp 14 Prozent zurück! Im Jahr 2016 ereignete sich dann auch noch die stärkste Korallenbleiche, die jemals festgestellt wurde: Ingesamt waren über 93 Prozent aller Riffe betroffen, die Hälfte davon erlitt schwere Schäden. Zwar können die Bereiche nach einer Bleiche theoretisch langsam wieder genesen, doch darf es in dieser jahrelangen Erholungsphase zu keinen weiteren Störungen kommen - was leider nicht sehr wahrscheinlich ist. Trübe Aussichten...


Neben den öden Korallenfriedhöfen sehen wir zum Glück nach wie vor einige bunte, prächtig gedeihende Stellen am Riff. Bei guter Sicht beäugen wir unter anderem hübsche blaue Seesterne, den Anemonenfisch „Nemo“ und einen imposanten Napoleon-Lippfisch mit Kopfbuckel sowie dicken, aufgeworfenen Lippen. Sogar ein Hai zieht in einiger Entfernung an uns vorbei.


Als wir nach einer Dreiviertelstunde wieder den Kopf aus dem Wasser stecken, wird es nicht trockener - dicke Regentropfen fallen auf uns. Ursprünglich war beabsichtigt, zur „Serranidae“ zurückzuschwimmen. Dieser Plan hat sich offensichtlich geändert, denn das Beiboot wartet bereits, um uns wieder mitzunehmen. Ich halte mich am Seil und Griff an der Seite fest und betrachte skeptisch die Gummiwand, die sich über mir auftürmt. Wie soll ich denn bitte da hoch kommen?! Bin ich Wonder Woman? Unser Dive Master Jason nimmt uns die schweren Druckluft-Tauchgeräte ab und befielt mir als Erster, kräftig mit den Flossen zu schlagen und mich mit Schwung nach oben zu ziehen. Ich versuche mein Glück und, hey, es funktioniert! Irgendwie schaffe ich es, mich nach oben auf die Gummiwulst zu wuppen, ohne wie ein nasser Sack wieder ins Wasser zu rutschen. Ich bin der Held! Leider fällt mein nächster Schritt, mich nämlich INS Boot zu begeben, ungleich weniger elegant aus: Unbeholfen glitsche ich vom Rand ins Innere, platsche unkoordiniert wie ein dicker Fisch auf den Boden und muss über mich selbst lachen. 


Als ich mich aufgerappelt und hingesetzt habe, helfe ich den Männern dabei, sich ebenfalls ins Boot zu hieven. Mit vereinter Kraft überwindet jeder das Hindernis - bis auf Jason. Da es in der Nussschale jetzt schon ordentlich kuschelig zugeht, bleibt unser Dive Master mitsamt unserer Tauchausrüstung mutterseelenallein im Meer zurück. Wir werden zur „Serranidae“ gebracht und anschließend darf auch Jason wieder an Bord. 


Nach dem Tauchgang erwarten uns wieder Obststücke und süße Teilchen. Herrlich, mit diesen Leckereien den Salzgeschmack im Mund zu vertreiben! Da die See sich ruhig verhält, fällt die Rückfahrt nach Lizard Island recht angenehm aus.


Am Abend überrascht die Hotelküche uns mit einem originellen Fünf-Gänge-Menü: Auf eine mit Reiscräckern gespickte Avocado-Creme sowie Zucchini auf Zitronenpüree folgt geräuchertes Känguruh (das Gericht überlasse ich Olaf - ich kann mich einfach nicht überwinden, dieses putzige Pelztier zu verspeisen). Der vierte Gang besteht aus Sweet Lip mit Rotkohl, als Dessert wird ein sehr leckerer Karottenkuchen mit Kürbiseis serviert. Uns geht es vielleicht gut!