Eigentlich würden heute unsere beiden Tauchgänge im Outer Reef anstehen, doch mein Mann streikt. Das Tragen der Flossen hat ihm zwei Wunden an den Zehen beschert und außerdem verspürt er keine Lust, den Großteil des Tages auf dem Boot herumzuschaukeln. Ich bin einerseits nicht gerade begeistert, ohne ihn loszuziehen, andererseits möchte ich das Outer Reef auf keinen Umständen missen. Nach dem gemeinsamen Frühstück trennen sich also unsere Wege: Während Olaf eine Mütze Schlaf nachholt, gehe ich an Bord der „Serranidae“.
Auf dem einstündigen Weg zu unserem ersten Tauch- und Schnorkelplatz verbringe ich die meiste Zeit auf der oberen Etage neben dem Steuerstand. Der braungebrannte Skipper Harry, stilecht mit Ankertattoo am rechten Fuß, steuert unser Tauchschiff durch den zunehmend rauen Pazifik. Während das Meer unter uns bockt wie ein wilder Bulle, beschallt Harry uns mit seiner Country-Playlist. Irgendwann singt Johnny Cash vom „Ring of Fire“ und lässt sich im Folsom Prison feiern.
Die Schaukelei hat ein Ende, als wir bei der „Dynomite Passage“ ins warme Nass springen und rund 50 Minuten lang bei einer maximalen Tiefe von zwanzig Metern die Unterwasserwelt erkunden. Wir sehen neben diversen Fischschwärmen die süßen „Nemos“ bei ihrem Anemonenversteck, einen Rotfeuerfisch und wieder eine dieser gigantischen Muscheln, die freizügig ihr Inneres präsentieren. Tauchtechnisch klappt bei mir alles ohne Probleme - bis ich gegen Ende plötzlich Schwierigkeiten mit dem Druckausgleich habe. Mein linkes Ohr gibt statt des üblichen Ploppens nur ein müdes Gurgeln von sich. Ich steige etwas höher auf und schaffe es dann doch noch, zu „schnalzen“.
Nachdem wir wieder an Bord geklettert sind, zaubert die Crew ein tolles Büfett für uns hervor: Garnelenschwänze, Gemüsewraps, Salate, Lachsbrötchen, Hähnchenschenkel, Schinken- und Käseplatten... Angesichts der Leckereien muss ich aufpassen, dass ich mich nicht zu sehr vollstopfe. Schließlich steht ja noch ein zweiter Tauchgang an! Ich hoffe, dass wir zu einem der berühmtesten Dive Spots der Welt fahren, dem Cod Hole. Seine Namensgeber, die bis zu zwei Meter langen und bis zu 110 Kilo schweren Gefleckten Riesenzackenbarsche, habe ich noch in bester Erinnerung. Vor zehn Jahren erwies sich eines der kleineren Exemplare als sehr anhänglich, parkte dicht unter meinem Bauch und schwamm dann bestimmt fünf Minuten in dieser Position unter mir herum.
Als Dive Master Jason verrät, dass wir tatsächlich das Code Hole ansteuern, freue ich mich sehr. Als wir über Bord hopsen, werden wir gleich von einem Schwarm zutraulicher Doppelfleck-Schnapper (Lutjanus bohar) begrüßt. Bevor wir jedoch in die Wunder der Unterwasserwelt eintauchen dürfen, müssen wir erst einmal gehörig strampeln: Es gilt, die Distanz vom Standort der „Serranidae“ bis zur Riffwand zurückzulegen - bei aufgewühlter See ein anstregendes Unterfangen. Wie gut es anschließend tut, mich zwanzig Meter in die Tiefe sacken zu lassen! Die Ohren spielen zum Glück mit...
Es wird ein schöner Tauchgang: Wir bewundern insgesamt drei der Gefleckten Riesenzackenbarsche. Klassische Schönheiten sind sie nicht gerade, die braunweiß marmorierten Kolosse mit ihren massigen Köpfen und breiten, wulstigen Mäulern, aber alleine aufgrund ihrer Größe schon sehr beeindruckend! Sie bewegen sich kaum, folgen mit ihren runden Glubschaugen unseren Bewegungen und erdulden friedlich, dass wir ihnen ein wenig auf die Pelle rücken.
Unsere Sechsergruppe kommt auch an mehreren Haien - Weißspitzen-Riffhaien und Grauen Riffhaien - von circa eineinhalb Meter Länge vorbei, die von Überhängen geschützt reglos am Meeresboden liegen. Über einen Mangel an Fischen können wir uns heute wahrlich nicht beklagen: Unseren weiteren Weg kreuzen schlanke Flötenmaulfische, langflossige Skalare und in Regenbogenfarben schimmernde Papageienfische sowie viele weitere Exemplare, die ich leider nicht benennen kann. Auch die süßen Clownfische dürfen natürlich nicht fehlen.
Nach 50 herrlichen, abwechslungsreichen Minuten beenden wir den Tauchgang und klettern zufrieden an Bord. Während der Rückfahrt sitze ich wieder neben Harry, der das Steuerrad der „Serranidae“ mitunter mit den nackten Füßen bewegt. Ich genieße die Wärme und den Ausblick auf die blaue See sowie das schäumende weiße Band aus aufgewühltem Wasser, das unser Boot hinterlässt.
Zurück auf der Insel lege ich einen kleinen Internet-Stopp neben der Bar ein, wo ich prompt auf meinen Mann treffe und ihm von meinen Tauchgängen erzähle. Später lümmeln wir auf dem Bett unseres Bungalows herum, bis mich die Abenddämmerung wieder an den Strand lockt. Zwar ist es zu bewölkt, um die Sonne untergehen zu sehen, aber die Ränder der Wolkenfelder erglühen stellenweise in Lachs- und Orangetönen. Während ich Himmel und Meer filme, bemerke ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung im klaren Wasser: Eine Schildkröte schwimmt gemächlich parallel zur Uferlinie. Welch schöne Überraschung!
Beim Abendessen sind wir heute auf dem Fischtrip und schlemmen Jakobsmuscheln in Zitronengras-Consommé sowie gegrilltes Thunfischsteak. Ich bin entzückt, dass der Barkeeper mir einen Aperol Spritz mixen kann, der noch dazu seeehr gut schmeckt. Olaf genehmigt sich einen Gin Tonic. Na, dann Cheers!