Heute morgen warten wir schon um sieben Uhr am Hotelrestaurant im 28. Stock und werden als erste Gäste eingelassen. Oft ist uns das in unserem Leben noch nicht passiert, schließlich schlafen wir ja gerne länger! Das Büffet sieht völlig unangetastet natürlich noch leckerer aus. Ein letztes Mal frühstücken wir mit Blick auf die Hochhäuser Tokios.
Eine halbe Stunde später sitzen wir bereits in einem Wagen des Chauffeurdienstes „Black Lane“, der uns durch relativ leere Straßen zum Flughafen Haneda bringt. Wir gehen zu China Southern Airlines, um einzuchecken. Zwanzig Minuten später stehen wir immer noch am Schalter. Die junge Stewardess ist von unseren von der Norm abweichenden Pässen überfordert, fragt ständig nach, klickt sich endlos durch den Computer und zieht dann auch noch eine Kollegin zurate, die daraufhin in der Gegend herumtelefoniert. Wir bleiben ruhig und freundlich und weisen darauf hin, dass wir mit diesen Pässen sowohl in China als auch in Japan einreisen durften. Nach langem Hin und Her halten wir schließlich doch noch unsere Bordkarten in den Händen. Der Rest der Prozedur einschließlich Sicherheits- und Passkontrolle läuft zum Glück völlig reibungslos ab.
Um kurz vor elf Uhr hebt die Boeing 747 in Richtung unseres Zwischenstopps Guangzhou in China ab. Der Flug verläuft ruhig - sieht man mal von dem Umstand ab, dass wir nach dem Mittagessen (labbriger Fisch mit Gemüse und Reis) auf dem Weg zur Toilette plötzlich von drei Servicewagen umzingelt werden, die scheinbar erratisch ihre Richtung geändert haben. Nachdem wir diese Herausforderung erfolgreich bewältigt haben und irgendwann auch wieder zu unseren Plätzen im vorderen Teil des Flugzeugs zurückgekehrt sind, mache ich ein Nickerchen. Kurz vor dem Landeanflug wache ich auf und bin sofort alarmiert, als Olaf mir mitteilt, dass wir zwanzig Minuten Verspätung haben. Der sowieso schon sehr kleine zeitliche Puffer zu unserem Weiterflug nach Nepal schmilzt dahin.
Als wir nach der Landung aus dem Flugzeug eilen, ist es 14:50 Uhr - das Boarding beginnt bereits in zehn Minuten! Wie sollen wir das bloß schaffen... Zum Glück wartet bereits ein junger Chinese auf uns, der sich ein Schild des Fluges nach Kathmandu unter den Arm geklemmt hat. Er lotst uns schnellen Schrittes durch den großen Flughafen, wartet bei der Quarantäne-Schleuse auf uns, wo die Körpertemperatur gemessen wird und führt uns dann durch eine schnellere Spur bei der Passkontrolle. Auch den Security Check bringen wir in Windeseile hinter uns und schaffen es tatsächlich noch rechtzeitig - als letzte Passagiere - an Board des Airbus A320.
Ermattet sinken wir auf unsere Plätze und haben während des fünf Stunden dauernden Fluges reichlich Zeit, uns von der Hetzerei zu erholen. Dabei gehe ich ungewollt mit chinesischer Nonchalance auf Tuchfühlung, als der Passagier hinter mir seine strumpfsockigen Quanten durch die Lücken rechts und links von meinem Sitz steckt und sie erst einmal dort belässt. Ich hätte gute Lust, ihm für diese Dreistigkeit fest in den großen Zeh zu kneifen! Als hätte er meine bösen Absichten gespürt, nimmt der Chinese seine Füße dann doch wieder weg.
Beim Landeanflug sehe ich von der Umgebung Kathmandus zunächst nur ein paar Berge, die ihr Haupt aus den Wolken erheben, bevor das Häusermeer der nepalesischen Hauptstadt im Talkessel erscheint. Nachdem wir gelandet sind, bezahlt Olaf in dem kleinen, etwas schäbig wirkenden Flughafengebäude 6.000 Yen (48 Euro) für unsere beiden Visa und wir bringen sowohl die Einreise als auch den Sicherheitscheck erfreulich schnell hinter uns. Wir stellen uns ans Gepäckband und warten. Und warten. Und warten. Bis das letzte Gepäckstück erscheint und vom Band genommen wird. Unsere Koffer sind nicht angekommen! Anhand der Gepäckabschnitte kann das Flughafenpersonal am Computer schnell ihren Aufenthaltsort lokalisieren: Sie befinden sich nach wie vor im chinesischen Guangzhou. Die gute Nachricht ist, dass sie auf dem morgigen Flug nach Kathmandu mittransportiert werden und gegen elf Uhr ankommen sollten. Trotzdem lässt mich der Gedanke daran, bis morgen Vormittag auf frische Kleidung und meine Toilettenartikel verzichten zu müssen, nicht gerade in Jubelschreie ausbrechen - zumal ab zehn Uhr eigentlich eine ganztägige Besichtigungstour gebucht ist. Sollen wir diese dann in verschwitzten, viel zu warmen Klamotten und ohne Sonnenschutz sowie Kopfbedeckung durchziehen? Von der Vorstellung bin ich gar nicht begeistert.
Als wir den Flughafen verlassen, wartet Uttam, unser Reiseleiter für die nächsten Tage, bereits auf uns. Der sehr entspannt wirkende ältere Herr fährt gemeinsam mit uns zur nahe gelegenen Unterkunft und begleitet uns in die Lobby, um den zeitlichen Ablauf des morgigen Programms mit uns zu besprechen. Wir einigen uns darauf, dass wir zunächst am Flughafen die Koffer holen und uns frisch machen, bevor wir zur Stadtbesichtigung aufbrechen. Nachdem Uttam sich verabschiedet hat, nehmen wir „Dwarika‘s Hotel“ in Augenschein, einen Ort von geradezu märchenhafter Schönheit. Der Gebäudekomplex aus Backstein ist erst ein paar Jahrzehnte alt, aber überall mit wunderschönen alten Fenster- und Türrahmen aus Holz sowie Terrakotta-Ornamenten verziert und verströmt deshalb den Zauber eines Palastes aus vergangenen Zeiten. Weil hier morgen eine Hochzeit stattfindet, illuminieren Lichterketten die Bäume und Büsche in den lauschigen Innenhöfen. Ich bin von der zauberhaften Atmosphäre völlig hingerissen.
Auch unsere Junior-Suite im zweiten Stock kann sich sehen lassen: Im geräumigen Hauptraum, der mit schweren alten Möbeln ausgestattet und mit hübschem Kunsthandwerk dekoriert ist, lädt ein Tagesbett zum Entspannen und Träumen ein, das große Badezimmer punktet mit golden schimmernden Waschschüsseln und separatem WC.
Da wir heute keines der Hotelrestaurants besuchen wollen, lassen wir uns vom Zimmerservice ein paar Kleinigkeiten wie Bruschetta und ein Panini mit gegrilltem Gemüse bringen. Olaf bestellt sich Hühnchenklöße mit dem Namen unserer Hündin, worüber wir natürlich schmunzeln müssen. Alles schmeckt lecker - auch „Momo“...
Aufs Zähneputzen müssen wir trotz des Fehlens unsere Toilettentaschen nicht verzichten, denn im Bad liegen sowohl Bürsten als auch Zahnpasta aus. Das fehlende Nachtgewand ersetze ich durch den leichten Bademantel. Mein Mann schläft schon vor 22 Uhr Ortszeit ein - kein Wunder, ist es in Japan doch bereits drei Stunden und 15 Minuten später!