Die Wartezeit in Dubai versüßen wir uns in der schicken Emirates Lounge mit einem Nach-Mitternachtssnack. Gegen 02:20 Uhr Ortszeit (04:05 Uhr in Nepal!) hebt die Boeing 777-300 mit Ziel Seychellen ab - unserer letzten Station auf dieser Reise um die Welt. Olaf schläft fast sofort ein, ich schreibe noch ein wenig am Blog weiter und bette mich dann ebenfalls zur Ruhe. Wir werden unsanft aus dem Schlaf gerissen, als im ersten Morgenlicht der Landeanflug auf die Seychellen beginnt. Mein erster Eindruck von der Insel Mahé aus der Vogelperspektive: bergig, grün, Buchten mit aquamarin- bis türkisgrün leuchtendem Wasser. Nachdem dem Piloten eine superweiche Landung gelungen ist, verlassen wir um halb sieben Uhr das Flugzeug und werden auf dem Rollfeld von schwülwarmer Luft eingehüllt. Die Einreise verläuft erfreulicherweise komplett ohne Probleme und auch unsere Koffer kommen schnell an dem einzigen Gepäckband an.
Nachdem wir uns mit der hiesigen Währung, der Seychellen-Rupie, eingedeckt haben, lassen wir uns im Taxi zu unserer Tagesunterkunft bringen, die sich 17 Kilometer nordwestlich des Flughafens in Sorento befindet. Während der halbstündigen Fahrt schaue ich aus dem Fenster und betrachte die Menschen, die so früh am Morgen bereits unterwegs sind. Ihre multiethnischen Wurzeln fallen sofort auf: 90 Prozent sind Kreolen (Nachfahren der aus den französischen Kolonialgebieten eingewanderten Siedler und afrikanischer Sklaven), doch die Vorfahren eines Teils der Bevölkerung kommen beispielsweise auch aus Indien, Großbritannien, China und dem arabischen Raum. Um aus unserem Seychellen-Reiseführer zu zitieren: „Hier lebt auf 115 Inseln ein friedliches, 98.000 Menschen starkes Volk, das im Laufe der Jahrhunderte aus verschiedenen Ethnien zusammengewachsen ist und das Erbe der Sklaverei längst hinter sich gelassen hat. Heute ist man stolz, ‚creol‘ zu sein und damit die eigene kulturelle Vielfalt zu leben.“
Sichtbare Armut gibt es nicht, es herrscht Vollbeschäftigung und die Seychellen haben das höchste Einkommen Afrikas. Mir fällt sofort auf, wie sauber und aufgeräumt die Gegenden wirken, durch die wir fahren - welch ein Kontrast zu Nepal. Wir schrauben uns hinter der Hauptstadt Victoria durch üppige Vegetation eine steile Bergstraße hinauf und hinunter, dann wiederum fahren wir ganz nah am Meer entlang und erhaschen Blicke auf die malerischen Sandstrände an der Bucht Baie Beau Vallon. Die „Petit Amour Villa“, unsere Unterkunft für die nächsten Stunden, liegt weit oben auf einem steilen Hügel und bietet einen fantastischen Meerblick. Wir werden von Gastgeber Michel freundlich empfangen und von einem der Angestellten in unser kleines, von Cremetönen und Gold dominiertes Tageszimmer gebracht. Nach der langen Reise ist es geradezu himmlisch, sich die Zähne zu putzen, warm zu duschen und frische Kleidung anzuziehen!
Um 13 Uhr erhalten wir ein leckeres Mittagessen: Knoblauchgarnelen als Vorspeise, Avocado-Mozzarella-Salat als Hauptspeise. Danach bringt uns ein Taxi zur Eden Island Marina, einer künstlich geschaffenen Insel bei Victoria. Hier am Jachthafen liegen diverse Katamarane in verschiedenen Größen - von klein bis XXL - der Charterfirma „Dream Jacht Seychelles“ vertäut. Unser schwimmendes Heim für die nächsten vier Nächte ist eine vor zwei Jahren gebaute „Lagoon 39“ namens „Sebon“ mit knapp unter 12 Metern Länge, vier kleinen Kabinen sowie zwei winzigen Bädern.
Der Wunsch, mehrere Tage auf einem Boot zu verbringen, wurde an meinem Geburtstag im letzten September geboren. Wir feierten ihn auf der griechischen Insel Santorini und mein lieber Mann hatte extra eine kleine Motorjacht samt Skipper gemietet. Uns gefielen die Stunden auf dem Meer so gut, dass wir uns vorstellen konnten, das nächste Mal länger an Bord zu bleiben.
Es ist natürlich ein Wagnis, das auch nach hinten losgehen kann.
Wie ergeht es uns bei schlechtem Wetter und hohen Wellen? Werden wir eventuell seekrank? Etwas ganz anderes macht uns jedoch von Anfang an zu schaffen: Es ist die Hitze. Während wir an Bord
der „Sebon“ darauf warten, dass unser Skipper Melvin, ein flippiger Typ mit Wuschelfrisur, die letzten Vorbereitungen für unseren Trip abschließt, köcheln wir quasi im eigenen Saft. Der
Schweiß rinnt in Strömen - und das im Schatten! Ich mache mir ein wenig Sorgen um meinen Mann, der sehr wärmeempfindlich ist und vor zwei Jahren nach einem ganztägigen Bootsausflug auf
Mauritius einen Hitzschlag erlitten hat. Doch dann lenkt mich ein
österreichisches Pärchen von meinen Sorgen ab, das gerade den Katamaran neben unserem bezogen hat. Die Frau beschwert sich darüber, dass der Skipper noch auf sich warten lässt, worauf ihr
Mann in breitem österreichischen Akzent genervt erwidert: „Also bittäää, iatzt hör‘ doch aaf zu zetern!“
Zum Glück legen wir um zwanzig nach vier endlich ab und der Fahrtwind sorgt für eine
willkommene Abkühlung. Weit fahren wir heute nicht mehr: Wir kommen an der Île au Cerf sowie kleinen Inseln mit den nüchternen Namen Long, Round sowie Île Moyenne vorbei und ankern
schließlich vor Sainte Anne mit ihren sanft geschwungenen Hügeln. Ich steige über eine Leiter ins Meer und absolviere dabei nicht wie sonst beim Baden ein mehrstufiges Programm zur sanften
Abkühlung, das von diversen „Uuuuhs“ und Grimassen begleitet wird. Bei geschätzten 31 Grad Wassertemperatur brauche ich weder zu stöhnen noch zusammenzuzucken - es ist einfach herrlich. Olaf
springt mir hinterher und schwimmt eine Runde, während ich lange Zeit einfach nur herumplansche, mich auf dem Rücken treiben lasse und in den blauen Himmel blicke.
Wieder an Deck machen wir es uns auf dem Trampolin, dem Netz zwischen den beiden Rümpfen, bequem. Ich höre Musik und springe alle fünf Minuten auf, um ein Foto von der schönen Abendstimmung über dem Meer zu machen. Zwischen langgezogenen Wolkenstreifen flammt der Himmel orangefarben auf, ein paar Wolkenknubbel färben sich leuchtend rot. Schließlich senkt sich Dunkelheit herab und die ersten Sterne blinken am Himmel. Es ist so friedlich, dass ich beinahe einschlafe, während unser Skipper in der Küche herumhantiert. Schließlich ruft er vor dem Deckssalon zu Tisch: Es gibt Salat, frischen Fisch, Rindfleisch mit Chili und Reis sowie einen klebrigen Kuchen als Dessert. Wir schaffen nicht mal die Hälfte von allem!
Nach dem Essen unterhalten wir uns noch mit Melvin. Die Sprache kommt auf somalische Piraten, die seit Jahren die Gewässer rund um die Seychellen unsicher machen, Geiseln nehmen und der Regierung Lösegeld abpressen. Der 30-jährige Skipper erzählt uns, dass er vor einigen Jahren als Soldat selbst in ein Feuergefecht mit Piraten verwickelt war. Angst hatten er und seine Kameraden keine, als ihnen die Kugeln um die Ohren pfiffen. In jenen Momenten waren sie selbst zu sehr mit Schießen beschäftigt. Erst später ging ihnen auf, dass sie bei der Aktion hätten sterben können. Und dann zitterten ihnen die Knie - nicht nur aus Erschöpfung.
Während ich noch an meinem Blog schreibe, schläft mein Mann neben mir auf der gepolsterten Bank ein. Es ist immer noch so warm, dass ich ebenfalls nicht in die Kabine hinuntersteige, sondern mir meine Schlafstatt auf dem Netz im Vorschiff einrichte. Dank meiner Sportmatte muss ich nicht direkt auf den Maschen liegen. Es ist schön, im Freien unter dem Sternenhimmel zu liegen und dank der lauen Brise genügend Abkühlung zu erhalten. Als der Wind stärker wird, ziehe ich mir ein langes Oberteil über und kuschele mich in mein Laken. Während ich zum Großen Wagen und den anderen Sternbildern hinaufblinzele, fallen mir irgendwann die Augen zu...