Um kurz vor sechs Uhr wache ich rechtzeitig auf, um das flammende Morgenrot über dem Ozean mitzuerleben. Ich bleibe noch etwas liegen, bis Melvin an Deck herumturnt und die Sonne mich schließlich vertreibt. Ich drehe meine morgendliche Runde im Meer und während wir noch frühstücken, steuert unser Skipper den Katamaran bereits in die Marina. Nach drei vollen Tagen und vier Nächten an Bord ist es nun an der Zeit, sich zu verabschieden - von Melvin und von der „Sebon“. Es wird wohl die einzige Tour dieser Art bleiben, denn für Olaf war sie größtenteils eine Folter. Die Hitze setzte ihm so schwer zu, dass er wenig mehr tun konnte, als von Schattenplatz zu Schattenplatz zu wechseln, sich notdürftig im Wasser abzukühlen und von klimatisierten Zimmern zu träumen. Wäre eine Woche Aufenthalt an Bord geplant gewesen, hätte er gestern abgebrochen.
Für mich wiederum war die Zeit auf dem Katamaran eine gemischte Erfahrung: Auch ich empfand die Hitze als belastend und konnte mich mit den beengten, zunehmend schmuddeligen Verhältnissen an Bord nicht wirklich anfreunden. Auf der anderen Seite hatten wir so die Möglichkeit, wunderschöne Inseln anzusteuern und nach Herzenslust im warmen, klaren Ozean zu planschen... Meine liebste Zeit brach ab dem späten Nachmittag an, wenn die Hitze erträglich wurde, die Abenddämmerung sich in fantastischen Farben zeigte und die ersten Sterne erschienen. Im Freien unter dem grandiosen Nachthimmel zu liegen und von den Wellen in den Schlaf gewiegt zu werden, war eine wunderbare Erfahrung für mich, die ich vermissen werde.
Doch zurück in die Gegenwart: Melvin verabschiedet sich von uns, während wir an Land geraume Zeit auf den Transfer zum Hotel warten. Schließlich erscheint der Fahrer und bringt uns im klimatisierten (herrlich!) Van in einer halben Stunde zur nordwestlichen Ecke Praslins und zum „Constance Lemuria“, wo wir die letzten Tage unserer Weltreise verbringen werden. Wir kommen am smaragdgrünen, hügeligen 18-Loch-Golfplatz vorbei und wechseln zum Golfmobil über, das uns zum Rezeptionsgebäude bringt.
Dort wird uns ein imposanter Empfang bereitet: Der Fahrer des Carts schlägt auf einen großen Gong, um uns anzukündigen, und wie von Zauberhand schwingen die riesigen Holztüren zur Lobby auf. Sesam, öffne dich! Wir treten in eine Welt des Luxus ein: Imposante dunkle Säulen tragen die Hallendecke, von der riesige Leuchter im Korallendesign hängen, ein Brunnen sprudelt munter vor sich hin und dahinter gewährt die offene Konstruktion einen ersten Blick auf das geschwungenen Poolbecken, einen Palmenhain und die Bucht. Fast erwarte ich, dass uns halbnackte Inselschönheiten mit Federfächern Luft zuwedeln, aber ganz so dekadent geht es dann doch nicht zu. Wir werden freundlich von einer Dame begrüßt, die sich um die Formalitäten kümmert, erhalten Getränke und Gebäck. Nach einer Stunde Wartezeit - es ist bei unserer Ankunft ja erst halb zehn Uhr - werden wir an der terrassenförmig angelegten Poollandschaft vorbei zu einem mehrstöckigen Gebäude geführt, in dem sich unsere Junior Suite Nr. 20 befindet.
Als wir eintreten, schlägt uns herrlich kühle Luft entgegen. Ich war schon lange nicht mehr so dankbar für eine Klimaanlage! Die Suite ist geräumig und stilvoll eingerichtet. Dass mit Türkis eine meiner Lieblingsfarben als Farbtupfer gewählt wurde, fällt mir natürlich gleich positiv auf. Vom Fenster und Balkon aus haben wir einen hübschen Blick auf die Gartenanlage und das wilde Meer in der Grande Anse Kerlan.
In den nächsten Stunden liegen wir einfach nur auf Sessel und Bett herum und kühlen uns langsam ab. Am Abend gehen wir in das halboffene Hauptrestaurant „The Legend“, dessen riesiges, optisch sehr ansprechendes Themen-Büfett heute mit Köstlichkeiten der asiatische Küche aufwartet: Sushi und Sashimi zum Abwinken, gefüllte Teigklöße, diverse Salate etc. Dazu lockt eine reiche Auswahl an Nachspeisen. Mein Mann und ich zwingen uns dazu, einigermaßen diszipliniert zu bleiben - schließlich wollen wir uns in der letzten Woche Weltreise nicht noch ein paar zusätzliche Kilos drauffuttern. Das Personal ist übrigens extrem freundlich, aufmerksam und eine bunte Mischung: 400 Menschen aus 30 Nationen arbeiten im „Constance Lemuria“!
Nach dem Essen zieht der kleine Shop neben dem Restaurant meine Aufmerksamkeit auf sich. In seiner Schaufensterauslage thront nämlich die sagenumwobene Coco de Mer, von der ich schon so einiges gelesen habe. Ihr braunes Samengehäuse besitzt die sinnliche Form eines weiblichen Schoßes (oder auch von Pobacken). Lange Zeit war unbekannt, woher die riesigen „Nüsse“ stammten, die an den Küsten der Malediven, Indiens und Ostafrikas angeschwemmt wurden. Die Vermutung verbreitete sich, dass sie von einer magischen Unterwasserpalme stammten - daher der Name Meereskokosnuss. Unserem Reiseführer zufolge wurden ihr wegen ihrer Seltenheit, ihrem Aussehen und der rätselhaften Herkunft spezielle Eigenschaften zugeschrieben: „So galt sie als Talisman, Heilmittel, Heiligtum und erotisch-exotische Rarität, die teuer gehandelt wurde. Manch Herrscher ließ sie in Gold aufwiegen, um sie zu erstehen.“ Teuer ist die sinnliche Steinfrucht nach wie vor: Hier im Hotel kann man ihren verholzten Kern für stolze 678 Euro erwerben. Nur circa 1.000 Stück davon werden pro Jahr als Souvenir in den Handel gebracht. Die Steinfrüchte wachsen am weiblichen Exemplar der bis zu 30 Meter hohen Seychellenpalme, die in freier Natur nur auf „unserer“ Insel Praslin sowie auf Curieuse existiert. Wir verzichten dankend auf den teuren Erwerb der hübsch gerundeten „Nuss“ und kehren aufs Zimmer zurück.
Nachts fallen wir in unser weiches Bett, ziehen uns gegenseitig die Decke weg und schlafen schließlich bei angenehm kühlen Temperaturen - aber ohne Sternenhimmel - ein.