Tag 98, 20.05., Kurze Wanderung zur wilden Anse Georgette


Nachdem der Vormittag wie gewohnt verlaufen ist (Frühstück und faulenzen auf dem Zimmer), beschließe ich, nach der Mittagszeit einen kleinen Ausflug zu machen und einen anderen Strand zu erkunden: Anse Georgette, den unserem Reiseführer zufolge viele Insider für einen der schönsten Strände der Seychellen halten. Ich bin gespannt!


Als ich am Poolbereich vorbeikomme, muss ich zweimal hinsehen. Nein, meine Augen trügen mich nicht: Dort stolziert tatsächlich ein Pfau herum! Er beginnt gerade, einen runden Beistelltisch zu umkreisen, auf dem ein Glas voller Chips steht - offensichtlich sein Objekt der Begierde. Ohne sich von mir stören zu lassen, hüpft der freche Vogel auf die Liege und stürzt sich von dort aus auf die Knabbereien. Da ich befürchte, dass das salzige Zeug ihm schaden könnte, wage ich mich in die Nähe seines Schnabels und nehme ihm das Glas weg. Sorry, du Schöner, aber es ist zu deinem Besten!


Ich lasse die Lobby hinter mir und spaziere zunächst in Richtung Spa, um dann nach links auf den völlig verlassenen Golfplatz abzubiegen. Perfekt gepflegt dehnt er sich hügelig vor mir aus, doch den Golfern ist es wohl zu heiß, ihre Schläger zu schwingen. Nach zwanzigminütigem, schweißtreibenden Auf und Ab erreiche ich schließlich mein Ziel, den wilden Strand Anse Georgette. Hier gibt es keine Bar, kein Restaurant, keine Liegen. Wild aber auch deshalb, weil die Wellen eine Hausnummer größer sind als in unserer schnuckeligen „Hausbucht“ und ein Schild ausdrücklich vor sehr gefährlichen Strömungen warnt. Dessen ungeachtet tummeln sich einige Badende in dem türkis erstrahlenden Wasser, das auf beiden Seiten der Bucht von dunklen Granitfelsen eingerahmt wird. Die übrigen Besucher meiden die Hitze über der hellen, weitläufigen Sandfläche und haben sich in den Schatten der Bäume zurückgezogen, die den Strand säumen. 


Ich bin von meinem Spaziergang so erhitzt, dass ich nach einer kleinen Fotosession sofort ins Wasser stakse. Sofort spüre ich die Kraft des Meeres, das an meinem Körper zieht und zerrt. Es macht Spaß, mich von Sog und Brandung immer ein Stück weit mitreißen zu lassen, aber ich achte darauf, nicht in tiefere Gefilde zu geraten. Solange ich den Boden unter meinen Füßen spüre, sollte ich auf der sicheren Seite sein. Während ich im Ozean herumtolle, leistet mir ein Schwarm silbriger Fische die ganze Zeit Gesellschaft. Die neugierigen Meeresbewohner, die etwa so groß wie meine Handfläche sind, tummeln sich teils zu meinen Füßen, teils an meinem Oberkörper. Sie sind so zutraulich, dass ich ein paar von ihnen sogar leicht an der Schwanzflosse berühren kann. Zum Glück kommen sie nicht auf die Idee, mich zu beißen!


Nach meinem Bad suche ich mir ein Plätzchen im Schatten und rolle meine Sportmatte aus. Leider habe ich meinen Mückenspray vergessen (den ich bislang auf den Seychellen noch nie benutzen musste) und ausgerechnet hier stürzen sich bald die blutsaugenden Insekten auf mich. Nachdem ich mehrmals gestochen wurde - unter anderem auch im Gesicht -, habe ich die Nase voll. Schöner Strand hin oder her, so kann ich mich nicht entspannen. Ich breche also meine Zelte ab und laufe zu unserem Hotel zurück. Dabei stelle ich fest, dass es auf dem Resortgelände nicht nur ein „Bonnie & Clyde“-Pärchen gibt: Ein schwarzer Mümmler und seine schneeweiße Gefährtin liegen neben dem Weg und fixieren mich aufmerksam.


Am frühen Abend planschen Olaf und ich wieder in unserer friedvollen „Privatbucht“, rangeln herum und „döppen“ uns gegenseitig, um mal einen Begriff aus der Heimat meines Mannes, dem Ruhrgebiet, zu verwenden. Da sich heute verhältnismäßig wenige Wolken am Himmel tummeln, können wir zusehen, wie der Sonnenball im Meer zu versinken scheint. Seine letzten Strahlen lassen den hohen „Wattebausch“ über dem westlichen Ende der Bucht in fantastischem Orangerot aufleuchten. 


Um 20 Uhr erscheinen wir frisch geduscht und gestriegelt im eleganten „Diva“ mit seiner violett-wollweißen Farbgebung und den Designerlampen, die halbierten Seeigeln ähneln. Olaf ist von seiner Vorspeise - rohen Jakobsmuscheln mit Passionsfrucht und Koriander - leider gar nicht begeistert, meine Ziegenkäse-Tortellini mit Spinatpüree schmecken dagegen gut. Als Hauptspeise teilen wir uns ein leckeres Hähnchen mit Fregula Sarda und Mais. Heute Abend verzichten wir auf den Nachtisch. Brav, brav!